Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 13. Senat | 13 ME 127/22 | Beschluss | Keine Prüfungs- und Entscheidungszuständigkeit der Ausländerbehörde hinsichtlich des Bestehens inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse und zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote bei Abschiebung aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG

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In dieser Fallgestaltung, in der eine Abschiebung allein auf der Grundlage einer vollziehbaren Abschiebungsanordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nach § 34a AsylG erfolgen soll, obliegt es allein dem Bundesamt zu prüfen, ob i.S.d. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG (weiterhin) „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Es hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 -, juris Rn. 11 m.w.N. insbes. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 4.2.2022 – 10 ME 8/22 -, juris Rn. 18; Senatsbeschl. v. 20.6.2017 – 13 PA 104/17 -, juris Rn. 12 ff.; v. 20.2.2017 – 13 ME 251/16 -, V.n.b., S. 3 des Beschlussabdrucks, und – grundlegend – v. 2.5.2012 – 13 MC 22/12 -, InfAuslR 2012, 298, juris Rn. 27; siehe aber auch BVerwG, Beschl. v. 27.3.2017 – 1 B 23.17 -, juris Rn. 1). Insoweit besteht eine von der gewöhnlichen Rollenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde abweichende „Gesamtzuständigkeit“ des Bundesamts, die eine Entscheidung aus „einer Hand“ sichern soll (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 3.12.2010 – 4 Bs 223/10 -, juris Rn. 13, 16). Das gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 12; Bayerischer VGH, Beschl. v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 -, juris Rn. 4). Solange die Abschiebungsanordnung nicht aufgehoben worden ist, kommt der Ausländerbehörde, die die Abschiebungsanordnung des Bundesamts nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG durchführt, grundsätzlich keine eigene Entscheidungskompetenz bezüglich der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung wegen eines nachträglich geltend gemachten (inlands- oder zielstaatsbezogenen) Abschiebungshindernisses zu. Sie kann deshalb auch nicht – wie der Antragsteller es jedoch hier begehrt – im Wege einer gegen sie gerichteten einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Anspruch genommen werden. Anderes gilt unter Berücksichtigung des Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) nur in (zeitlich) extrem zugespitzten Ausnahmefällen, in denen auf dem dargelegten vorrangigen Rechtsschutzweg eine vorläufige Aussetzung der Abschiebung für den Betroffenen nicht mehr erreichbar ist, etwa weil die begehrte Mitteilung des Bundesamts an die Ausländerbehörde offensichtlich zu spät käme (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810, 10 C 15.813 -, juris Rn. 5 f.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Der Antragsteller hat vielmehr den asylrechtlichen Weg bereits – erfolglos – beschritten und wäre mit Blick auf etwaige nachträgliche Änderungen auf das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO gegenüber dem Bundesamt zu verweisen. Im Verhältnis zum Antragsgegner als zuständiger Ausländerbehörde ist der Antragsteller mit der Geltendmachung auf eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung hinauslaufender inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse und zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote hingegen ausgeschlossen.

Quelle : Niedersachsen.de

Bilder: Titel Symbolbilder Niedersachsen by Pixabay.com / Niedersachsen.de

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