Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 14. Senat | 14 ME 153/22 | Beschluss | Ausstellung eines Genesenennachweises gem. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV- Beschwerde im Verfahren des vorl. Rechtsschutzes –

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OVG Lüneburg 14. Senat,
Beschluss vom
18.03.2022, 14 ME 153/22, ECLI:DE:OVGNI:2022:0318.14ME153.22.00

Verfahrensgang

vorgehend VG Osnabrück, 4. Februar 2022, Az: 3 B 4/22, Beschluss

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück – 3. Kammer – vom 4. Februar 2022 geändert.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 4. Februar 2022, soweit er durch diesen im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet worden ist, dem Antragsteller vorläufig einen Genesenennachweis für den Zeitraum vom 11. Februar 2022 bis zum 13. Juli 2022 auszustellen.

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Der Antragsteller wurde am 13. Januar 2022 positiv auf eine SARS-CoV-2-Infektion getestet; er ist nicht gegen Covid-19 geimpft.

3

Mit Bescheid vom 14. Januar 2022 ordnete das Gesundheitsamt des Antragsgegners gegenüber dem Antragsteller die Absonderung in die häusliche Quarantäne an und führte aus, dass die Entlassung aus der Quarantäne frühestens mit Ablauf des 21. Januar 2022 erfolgen könne.

4

Mit Schreiben vom 14. Januar 2022 stellte das Gesundheitsamt des Antragsgegners dem Antragsteller einen Genesenennachweis in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 aus. In dem Schreiben heißt es: „Der Genesenennachweis hat seine Gültigkeit für den Zeitraum vom 11.02.2022 (der 29. Tag nach Vorliegen des positiven Tests) bis 13.07.2022 (sechs Monate nach Vorliegen des positiven Tests).“

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Am 21. Januar 2022 wandte sich der Antragsteller mit dem Betreff „Einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO“ an das Verwaltungsgericht, unter anderem mit dem wörtlichen Antrag: „Der Genesenennachweis wird ab dem – 22.01.2022 – bis zum – 21.07.2022 – berechnet.“ Er führte aus, dass sein Begehren auf der Berechnungszeit bzw. ab wann er sich als genesen bezeichnen dürfe, liege. Die Berechnung in dem Genesenennachweis (11.02.2022 – 13.07.2022) sei falsch. Er habe die bis zum 21. Januar 2022 angeordnete Quarantäne in Anspruch genommen, ohne sich vorher „freizutesten“. Am 24. Januar 2022 werde er seine Arbeit wiederaufnehmen. Dann wolle er vom Gesundheitsamt des Antragsgegners „eine Auskunft erhalten, welche Zeit hier vom – 22.01.2022 – bis zum 10.02.2022 – hier zählt, bzw. welche Zeit ist das ?? Was bin ich in dieser Zeit ??“. Er wolle seinen Genesenennachweis rückwirkend vom 22. Januar 2022 an berechnet habe. Außerdem habe er den Genesenenstatus nur fünf statt sechs Monate. Hier sei die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben.

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Mit Beschluss vom 4. Februar 2022 hat das Verwaltungsgericht dem aus seiner Sicht sinngemäß gestellten Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einen Nachweis über seine Genesung im Sinne des § 2 Nr. 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (SchAusnahmV) für den Zeitraum 22. Januar bis 21. Juli 2022 auszustellen, teilweise stattgegeben. Es hat zunächst dem Antragsteller aufgegeben, binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses einen Rechtsbehelf in der Hauptsache in Bezug auf die Ausstellung eines Genesenennachweises für den Zeitraum 11. Februar 2022 bis 13. Juli 2022 zu erheben, und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig bis zu einem fruchtlosen Ablauf der erstgenannten Frist, im Falle einer Klageerhebung bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache, dem Antragsteller einen Nachweis über seine Genesung im Sinne des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV für den Zeitraum 11. Februar 2022 bis 13. Juli 2022 auszustellen. Die weiteren auf die Verarbeitung von Daten bezogenen Anträge hat das Verwaltungsgericht abgelehnt.

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Zur Begründung der Verpflichtung zur Ausstellung eines Genesenennachweises hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Inhalt, dem Antragsteller einen für den Zeitraum vom 22. Januar bis zum 21. Juli 2022 gültigen Genesenennachweis auszustellen, sei zulässig und bis auf einen kurzen Zeitraum der begehrten Dauer auch begründet. Der Antrag sei statthaft, weil in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO statthaft wäre. Es handele sich bei der begehrten Bescheinigung über den Genesenenstatus um einen feststellenden Verwaltungsakt mit dem Regelungsausspruch, der Antragsteller könne die an diesen Status geknüpften Vergünstigungen, etwa den Besuch von 2G-pflichtigen Veranstaltungen, in Anspruch nehmen.

8

Der Antragsteller habe einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Genesenennachweis sei nach derzeit geltender Rechtslage als einziges Surrogat zum Impfnachweis Voraussetzung für die Teilnahme des Einzelnen am gesellschaftlichen und sozialen Leben in vielen Bereichen, so etwa für den Besuch von Restaurants und Arbeitsstätten, und in einigen Bundesländern sogar für den Besuch in Geschäften des Einzelhandels. Es liege auf der Hand, dass der Ausschluss von der Teilnahme am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben für den Einzelnen eine hohe Grundrechtsrelevanz, insbesondere in Bezug auf die Allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, die körperliche Unversehrtheit des Art. 2 Abs. 2 GG unter dem Gesichtspunkt der psychischen Gesundheit und auf die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG – sowie auf weitere Grundrechtspositionen – habe.

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Der Antragsteller habe auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner habe die Dauer des Genesenenstatus des Antragstellers fehlerhaft bestimmt. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Erteilung eines Genesenennachweises für den Zeitraum 11. Februar bis 13. Juli 2022, mithin für den sich aus § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 ergebenden Zeitraum. Einen Anspruch auf Erteilung eines Genesenennachweises für den Zeitraum vor dem 11. Februar 2022 habe der Antragsteller nicht. Diese Regelung beruhe auf nachvollziehbaren wissenschaftlichen Erwägungen, die von der Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers gedeckt seien. Jedoch sei der Genesenennachweis des Antragstellers nicht auf den sich aus § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 in Verbindung mit den entsprechenden Vorgaben des Robert Koch-Instituts (RKI) ergebenden Zeitraum von 90 Tagen ab positiver Testung auf eine Infektion mit dem Coronavirus zu beschränken, weil der Verweis auf das Robert-Koch-Institut (RKI) in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfassungswidrig sei und darüber hinaus durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verkürzung der Dauer des Genesenenstatus auf 90 Tage bestünden. Denn weder der Begründung zur Änderung der SchAusnahmV noch der entsprechenden Seite des RKI sei dafür eine wissenschaftlich überzeugende Begründung zu entnehmen. Daher finde § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 mit einer Dauer des Genesenenstatus von 180 Tagen Anwendung.

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Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Antragsgegners mit dem Antrag,

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den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern, soweit darin der Antragsgegner bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet worden ist, dem Antragsteller einen Nachweis über seine Genesung im Sinne des § 2 Nr. 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (SchAusnahmV) für den Zeitraum 11. Februar 2022 bis 13. Juli 2022 auszustellen, und den Antrag auch insoweit abzuweisen.

12

Der Antragsteller hat am 16. Februar 2022 vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben (Az. 3 A 21/22).

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II. Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

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Die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zunächst darauf, ob die Beschwerde geeignet ist, die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu erschüttern. Wenn dies der Fall ist, ist von Amts wegen darüber hinaus zu prüfen, ob sich der Beschluss auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens im Ergebnis als richtig erweist oder geändert werden muss (vgl. Senatsbeschl. v. 14.3.2022 – 14 MN 175/22 -, juris Rn. 10; OVG Berl.-Bbg, Beschl. v. 1.3.2022 – OVG 9 S 5/22 -, juris Rn. 9 m.w.N. und Beschl. v. 24.11.2014 – OVG 9 S 49.13 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Danach ist die angefochtene Entscheidung zu ändern.

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1. Der Antragsgegner macht in seiner Beschwerde zu Recht geltend, dass das Verwaltungsgericht die angegriffene vorläufige Verpflichtung schon deshalb nicht hätte aussprechen dürfen, weil es sich bei dem Genesenennachweis nicht um einen feststellenden Verwaltungsakt handelt und in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage nicht statthaft wäre.

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Selbst wenn man – wie das Verwaltungsgericht – davon ausginge, dass der Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO die Ausstellung eines (weiteren) Nachweises über seine Genesung begehrt, wäre ein solcher Antrag nicht statthaft. Denn in der Hauptsache wäre keine Verpflichtungsklage statthaft. Bei einem Genesenennachweis im Sinne des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine behördliche Wissenserklärung. Ein Verwaltungsakt ist nach § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 35 Satz 1 VwVfG jede Verfügung, Entscheidung oder andere öffentlich-rechtliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV ist ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn der Nachweis den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entspricht: a) Art der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion, b) Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion vergangen sein muss, oder Nachweis zur Aufhebung der aufgrund der vorherigen Infektion erfolgten Absonderung und c) Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf. Damit ist der Genesenennachweis selbst lediglich eine Bescheinigung über Tatsachen, an die das Gesetz selbst unmittelbare Rechtsfolgen, nämlich die Ausnahmen von andernfalls geltenden bundes- und landesrechtlichen Ge- und Verboten knüpft, und durch die damit ein behördliches Wissen kundgetan wird (vgl. Senatsbeschl. v. 14.3.2022 – 14 ME 175/22 -, juris Rn. 37).

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2. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war auch nicht aus anderen Gründen zu entsprechen.

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Der Antrag des Antragstellers kann bei verständiger Würdigung gemäß § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO allenfalls dahingehend ausgelegt werden, dass im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt wird, vorläufig festzustellen, dass er im Sinne der bundes- bzw. landesrechtlichen Ge- und Verbotsregelungen, soweit diese an den sogenannten Genesenenstatus anknüpfen, vom 22. Januar 2022 bis zum 21. Juli 2022 als genesen gilt.

19

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz begehrt. Dies hat er in dem Betreff der Antragschrift deutlich gemacht. Allerdings ist dem Antragsbegehren – anders als das Verwaltungsgericht meint – nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller (erneut) einen Genesenennachweis ausgestellt haben will. Vielmehr geht es ihm allein um die Berechnung des Zeitraumes, in dem er als genesen gilt, insbesondere um die Zeit vor dem 11. Februar 2022. Er begehrt ausdrücklich die Berechnung ab dem 22. Januar 2022. Daran anknüpfend geht er davon aus, dass er ab diesem Datum für sechs Monate, nämlich bis zum 21. Juli 2022, als genesen gelten müsste. Dabei wird deutlich, dass der Antragsteller nicht nachvollziehen kann, dass die Berechnung der Dauer des sogenannten Genesenenstatus (nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Zeitraum innerhalb dessen eine Person im rechtlichen Sinne als genesen gilt), den der Genesenennachweis bescheinigt, nach § 2 Nr. 5 SchAusnahmV sowohl hinsichtlich des Beginns als auch des Endes von dem Datum der Abnahme des positiven Tests und nicht von der Genesung im medizinischen Sinne oder dem Ablauf einer angeordneten Absonderung abhängt. Es bedarf schließlich keiner Entscheidung, ob es dem Antragsteller danach nicht ohnehin ausschließlich um die Klärung des Beginns der Genesenenzeit ging. Denn selbst wenn sein Begehren umfassender begriffen würde, wäre diesem nicht stattzugeben.

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Es kann im vorliegenden Einzelfall dahinstehen, ob ein solcher Antrag zulässig wäre (a)), jedenfalls wäre er unbegründet (b)).

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Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Satz 2). Um einem auf eine inzidente Normenkontrolle gerichteten Feststellungsbegehren auch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes Rechnung zu tragen, kann das Gericht dabei – entsprechend des ihm bei der Bestimmung des Inhalts einer einstweiligen Anordnung eröffneten freien Ermessens (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO) – zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG auch vorläufige Feststellungen treffen (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 123 Rn. 9).

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a) Ein Antrag auf vorläufige Feststellung durch einstweilige Anordnung wäre hier zwar statthaft (aa)) und der Landkreis auch der richtige Antragsgegner (bb)), jedoch bestehen Zweifel daran, ob der Antragsteller ein Feststellungsinteresse hat (cc)).

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aa) Ein Antrag auf vorläufige Feststellung durch einstweilige Anordnung wäre statthaft, weil der Antragsteller sein Begehren in der Hauptsache mit einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Var. 1 VwGO verfolgen könnte. Diese Klageart bietet unter anderem die Möglichkeit eines Rechtsschutzes gegen rechtswidrige Normen dergestalt, dass ein Kläger das Fortbestehen des Rechts geltend machen kann, auf dessen Aufhebung oder Einschränkung die nach seiner Auffassung rechtswidrige Norm gerichtet ist (Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 43 Rn. 8a und 8c). Eine solche Interessenlage wäre hier gegeben.

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Insbesondere läge auch ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor. Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO sind die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm ergebenden rechtlichen Beziehungen für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder zu einer Sache zu verstehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.8.2007 – 7 C 13.06 -, juris Rn. 21 m.w.N.). Als Bezugspersonen kommen dabei in Betracht der Normgeber, der Normadressat und (als Vollzugsbehörde) der Normanwender. Da zum einen nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist, und zum anderen Art. 83 GG ebenso grundsätzlich bestimmt, dass die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, d.h. sie verwaltungsmäßig umsetzen, eröffnet sich im Regelfall ein Rechtsverhältnis zwischen Normadressaten und Normanwender, hier somit zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.8.2007 – 7 C 13.06 -, juris Rn. 21 m.w.N.).

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Der Genesenenstatus für sich genommen stellt dabei kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Denn beim Genesenenstatus handelt es sich dem (mittlerweile) allgemeinen Sprachgebrauch nach lediglich um die Eigenschaft einer Person und nicht um ihre rechtliche Beziehung zu einer anderen Person oder Sache. Rechtserhebliche Eigenschaften sind als bloßes Element eines Rechtsverhältnisses nicht feststellungsfähig, lediglich die damit verbundenen Rechte und Pflichten (Pietzcker, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 41. EL Juli 2021, VwGO, § 43 Rn. 14 m.w.N.; Sodan, in: Sodan/Zieckow, VwGO, Stand: 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 31; Möstl, in: BeckOK, VwGO, Stand: 1.10.2021, § 43 Rn. 3). Auch § 2 Nr. 4 („genesene Person“) und Nr. 5 („Genesenennachweis“) SchAusnahmV enthalten lediglich Begriffsbestimmungen, die als solche keine Rechte und Pflichten und damit auch kein Rechtsverhältnis der Bürger zu staatlichen Stellen begründen. Solche Begriffsbestimmungen (die zudem noch auf bestimmte Vorgaben einer nachgeordneten Behörde verweisen) entfalten für sich allein noch keine rechtliche Wirkung im Sinne der Begründung von Rechten und Pflichten und damit der Begründung eines Rechtsverhältnisses. § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV entfalten eine rechtliche Wirkung nur mittelbar im Zusammenspiel mit bundes- oder landesrechtlichen infektionsschutzrechtlichen Ge- und Verboten (z. B. „2-G“-Regelungen) und den insoweit ebenfalls getroffenen, an § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV anknüpfenden Ausnahmeregelungen (vgl. OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 1.3.2022 – OVG 9 S 5/22 -, juris Rn. 12). Deswegen vermag allein die Klärung der Frage, ob jemand im rechtlichen Sinne als genesen gilt, kein Rechtsverhältnis zu begründen (vgl. Senatsbeschl. v. 14.3.2022 – 14 ME 175/22 -, juris Rn. 18).

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Vorliegend kämen als feststellungsfähige Rechtsverhältnisse daher nur die an den § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV anknüpfenden Rechte und Pflichten in Betracht, wie z. B. die im IfSG festgelegten Ge- und Verbote (z. B. 3-G Regelung am Arbeitsplatz oder die sog. einrichtungsbezogene Impflicht) oder die Ge- und Verbote der Niedersächsischen Verordnung über Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 und dessen Varianten vom 23. Februar 2022 (Niedersächsische Corona-Verordnung).

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bb) Hierfür wäre auch der Landkreis richtiger Antragsgegner, weil das streitige Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller als Normadressat und dem Landkreis als Normanwender besteht, welcher gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD) für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes und der aufgrund des Infektionsschutzgesetzes erlassenen Verordnung zuständig ist. Der Antragsgegner überwacht damit im Rahmen seiner örtlichen Zuständigkeit die Einhaltung der Ge- und Verbote des Infektionsschutzgesetzes (vgl. § 20a Abs. 5 IfSG) sowie der Verordnungen nach § 32 Satz 1 IfSG, insbesondere der Niedersächsischen Corona-Verordnung (vgl. Senatsbeschl. v. 14.3.2022 – 14 ME 175/22 -, juris Rn. 26; BayVGH, Beschl. v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536 -, BeckRS 2022, 3330 Rn. 8).

28

cc) Allerdings bestehen Zweifel daran, dass der Antragsteller auch ein berechtigtes Interesse (vgl. § 43 Abs. 1 VwGO) an der vorläufigen Feststellung hätte, dass er im Sinne der bundes- bzw. landesrechtlichen Ge- und Verbotsregelungen, soweit diese an den sogenannten Genesenenstatus anknüpfen, vom 22. Januar bis zum 21. Juli 2022 als genesen gilt. Das berechtigte Interesse – als Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzinteresses – schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein. Entscheidend ist, dass die (vorläufige) gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition des Antragstellers in den genannten Bereichen zu verbessern (st. Rspr., vgl. nur: BVerwG, Beschl. v. 20.12.2017 – 6 B 14.17 -, juris). Ein solches hat der Antragsteller weder nachvollziehbar im verwaltungsgerichtlichen noch im Beschwerdeverfahren geltend gemacht. Soweit er auf Unsicherheiten hinsichtlich des Beginns des Zeitraumes verwiesen hat, in dem er als Genesener gilt, bestehen diese jedenfalls wegen Zeitablaufs inzwischen nicht mehr. Es bedarf vorliegend keiner Klärung, ob – und wenn ja unter welchen Voraussetzungen – allein die hypothetische Möglichkeit, dass der Antragsteller zukünftig etwaigen Ge- und Verbotsregelungen des IfSG oder der Niedersächsischen Corona-Verordnung oder den im IfSG geregelten Beschränkungen unterfällt, für die Annahme eines Feststellungsinteresses ausreicht.

29

b) Jedenfalls hätte der Antrag in der Sache keinen Erfolg. Die Begründetheit des Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt voraus, dass ein Antragsteller sowohl das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. seine materielle Anspruchsberechtigung, als auch eines Anordnungsgrundes, d.h. eine besondere Dringlichkeit, glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht regelmäßig nur vorläufige Entscheidungen treffen und einem Antragsteller noch nicht in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erstreiten könnte. Im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile des Antragstellers unzumutbar und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären sowie ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, der Antragsteller dort also schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde (vgl. etwa vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.4.2008 – 2 BvR 338/08 -, juris Rn. 3; Beschl. vom 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 -, juris Rn. 17; BVerwG, B. v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 -, juris Rn. 5, 7; BVerwG, Beschl. v. 10.2.2011 – 7 VR 6.11 -, juris Rn. 6).

30

Unabhängig davon, ob hier ein Anordnungsanspruch vorliegt, hat der Antragsteller unter Berücksichtigung der hier wegen der in der begehrten Feststellung liegenden Vorwegnahme der Hauptsache geltenden hohen Anforderungen bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Antragsschrift ist nämlich nicht im Ansatz zu entnehmen, inwieweit sich der Antragsteller, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, durch einen lediglich auf einen Zeitraum von drei Monaten (bis zum 13. April 2022) bzw., wie vom Antragsteller geltend gemacht, durch einen bis zum 13. Juli 2022 begrenzten Genesenenstatus in seinen Rechten beeinträchtigt sehen würde. Dem Antragsteller geht es ersichtlich nur um die abstrakte Klärung der Frage, wann er als genesen gilt, ohne dass er Ausführungen dazu macht, weshalb dies – nach Ablauf eines dreimonatigen Genesenenstatus bzw. nach dem 13. Juli 2022 bis zum 22. Juli 2022 – für ihn von Bedeutung sein soll. Zudem ist zweifelhaft, ob und wenn ja welche Einschränkungen schon nach dem 13. April 2022 bzw. erst Recht nach dem 13. Juli 2022 für den Antragsteller überhaupt bestehen werden.

31

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Danach trägt der Antragsteller als Unterlegener die Kosten in beiden Rechtszügen. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1. Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NordÖR 2014, 11), wobei im Hinblick auf die tatsächliche Vorwegnahme der Hauptsache eine Reduzierung des Auffangstreitwerts nicht angebracht erscheint.

32

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 


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Quelle : Niedersachsen.de

Bilder: Titel Symbolbilder Niedersachsen by Pixabay.com / Niedersachsen.de

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