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Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Physiotherapeut
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1. Sofort vollziehbarer Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Physiotherapeut wegen Unzuverlässigkeit infolge einer Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses.
2. Keine Beschränkung der Berufsausübung auf die Behandlung nur männlicher Patienten.
VG Braunschweig 1. Kammer,
Beschluss vom
13.06.2022, 1 B 92/22, ECLI:DE:VGBRAUN:2022:0613.1B92.22.00
§ 2 MPhG, § 49 VwVfG
Tenor
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
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Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
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Der Wert des Streitgegenstands wird auf 7.500,– EUR festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich des vom Antragsgegner verfügten Widerrufs der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Physiotherapeut.
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Der im E. 1962 geborene Antragsteller ist nach Aktenlage als angestellter Physiotherapeut in zwei Physiotherapiepraxen tätig. Im Dezember 2020 erhielt der Antragsgegner die Mitteilung, dass gegen den Antragsteller ein Strafverfahren eingeleitet worden war. Mit Urteil vom 10. November 2021 verurteilte das Amtsgericht Braunschweig den Antragsteller wegen sexuellen Übergriffs in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten zur Bewährung. Der Antragsteller hatte am F. 2020 einer Patientin während der Behandlung in Rückenlage auf einer Liege die Hose heruntergezogen, sie im Intimbereich massiert, auf ablehnende Äußerungen der Patientin die Tür des Behandlungszimmers abgeschlossen und das Massieren fortgesetzt bis er schließlich zweimal mit dem Daumen in die Scheide der Patientin eindrang. Gegenüber der Patientin entgegnete er, das machen zu müssen. In der Hauptverhandlung des Amtsgerichts Braunschweig hatte der Antragsteller ein umfassendes Geständnis abgelegt. Von dem Urteil erhielt der Antragsgegner Anfang Februar 2022 Kenntnis.
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Mit Schreiben vom 1. Februar 2022 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Physiotherapeut zu prüfen, und gab dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Antragsteller machte mit Schreiben vom 23. März 2022 geltend, zunächst sei festzuhalten, dass er die Straftat nicht begangen habe. Das Geständnis sei vor dem Hintergrund einer in der Hauptverhandlung unter dieser Voraussetzung getroffenen Verständigung auf einen bestimmten Strafrahmen erfolgt. Aus der Verurteilung ergebe sich zudem nicht, dass er als unzuverlässig anzusehen sei. Er habe seinen Beruf jahrelang ohne Vorfälle und Beanstandungen ausgeübt und sei seinen beruflichen Verpflichtungen uneingeschränkt nachgekommen. Strafrechtlich sei er zuvor ebenfalls nicht in Erscheinung getreten. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht begründet. Schon das Amtsgericht Braunschweig sei davon ausgegangen, dass er von der Verurteilung und dem Strafverfahren beeindruckt sei und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen werde. Zudem drohten ihm erhebliche strafrechtliche Konsequenzen bei einem Verstoß gegen die Bewährungsauflagen. Seine Berufstätigkeit habe er während des Ermittlungsverfahrens und auch nach der Verurteilung ohne Beanstandungen fortgesetzt. Ein Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung wäre darüber hinaus unverhältnismäßig. Eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die von ihm behandelten Patienten sei nicht gegeben. Der Widerruf der Erlaubnis stünde einem Berufsverbot gleich und stelle einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit dar. Seine berufliche und wirtschaftliche Existenz würden erheblich gefährdet.
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Mit Bescheid vom 30. März 2022 widerrief der Antragsgegner die dem Antragsteller erteilte Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Physiotherapeut und ordnete die sofortige Vollziehung des Widerrufs an.
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Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 8. April 2022 Klage, über die noch nicht entschieden ist (1 A 91/22). Zugleich hat er die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt.
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber nicht begründet. Der Widerruf der Erlaubnis des Antragstellers zum Führen der Berufsbezeichnung Physiotherapeut, deren sofortige Vollziehung mit einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Begründung versehen worden ist, ist rechtmäßig und das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat hinter dem öffentlichen Vollzugsinteresse zurückzustehen.
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Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Physiotherapeut ist mangels spezialgesetzlicher Regelung § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Wer die Berufsbezeichnung Phy-siotherapeut führen will, bedarf gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie (Masseur- und Physiotherapeutengesetz – MPhG -) der Erlaubnis. Diese ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 MPhG auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller sich unter anderem nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt. Diese Erlaubnisvoraussetzung ist für den Antragsteller nachträglich entfallen. Denn er hat sich eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung seines Berufs ergibt.
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Die Annahme der Unzuverlässigkeit setzt ein Verhalten voraus, das nach Art, Schwere und Zahl der vorliegenden Verstöße, insbesondere gegen Berufspflichten, die zu begründende Prognose rechtfertigt, der Erlaubnisinhaber biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft alle in Betracht kommenden, insbesondere die berufsspezifischen, Vorschriften und Pflichten zu beachten. Dabei sind die gesamte Persönlichkeit des Erlaubnisinhabers und seine Lebensumstände zu würdigen, so dass auch nicht berufsbezogene Verfehlungen die Annahme der Unzuverlässigkeit begründen können (BVerwG, Urt. v. 28.4.2010 – 3 C 22/09 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 28.10.2019 – 8 ME 82/19 -, V. n. b.; Beschl. v. 3.1.2018 – 8 ME 143/17 -, V. n. b.).
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Bei Entscheidungen über den Entzug einer Erlaubnis zur Ausübung eines Berufs oder zum Führen einer geschützten Berufsbezeichnung dürfen die in einem rechtskräftigen Strafurteil enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen bestehen. Dies kann dann der Fall sein, wenn Wiederaufnahmegründe gegeben sind, die maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts erkennbar auf einem Irrtum beruhen oder die Behörde ausnahmsweise in der Lage ist, eine für ihre Entscheidung erhebliche, aber strittige Tatsache besser als das Strafgericht aufzuklären (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2011 – 3 B 6/11 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 3.1.2018 – 8 ME 143/17 -, V. n. b.; Beschl. v. 17.2.2016 – 8 ME 213/15 -, juris).
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Der Antragsteller hat in gravierender Weise gegen wesentliche Berufspflichten eines Physiotherapeuten verstoßen. Diese sind zwar nicht normativ geregelt, lassen sich aber aus dem in § 8 MPhG formulierten Ausbildungsziel ableiten, wonach die Ausbildung entsprechend der Aufgabenstellung des Berufs insbesondere dazu befähigen soll, durch Anwenden geeigneter Verfahren der Physiotherapie in Prävention, kurativer Medizin, Rehabilitation und im Kurwesen Hilfen zur Entwicklung, zum Erhalt oder zur Wiederherstellung aller Funktionen im somatischen und psychischen Bereich zu geben und bei nicht rückbildungsfähigen Körperbehinderungen Ersatzfunktionen zu schulen. Die Anwendung geeigneter Verfahren der Physiotherapie zu den genannten Zwecken bedingt engsten Kontakt zum Patienten, der körperliche Berührungen umfasst. Die Erfüllung der Aufgaben setzt damit nahezu zwingend ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Patienten voraus. Um den Behandlungserfolg erreichen zu können, muss sich der Patient dem Physiotherapeuten anvertrauen und sich darauf verlassen können, dass der zum Führen der Berufsbezeichnung berechtigte Physiotherapeut ausschließlich zum Wohl des Patienten handelt und insbesondere die Behandlungssituation nicht zu seinem Nachteil missbraucht. Handelt ein Physiotherapeut dem zuwider und nutzt er das bestehende Vertrauensverhältnis zum Nachteil des Patienten aus oder verletzt dieses in erheblicher Weise, liegt hierin regelmäßig ein schwerer Verstoß gegen eine wesentliche Berufspflicht (vgl. zur Krankenpflege: Nds. OVG, Beschl. v. 3.1.2018 – 8 ME 143/17 -, V. n. b.; Beschl. v. 17.6.2013 – 8 LA 155/12 -, juris).
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Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bietet der Antragsteller nicht die Gewähr, in Zukunft alle in Betracht kommenden, insbesondere die berufsspezifischen, Vorschriften und Pflichten zu beachten. Er ist wegen sexuellen Übergriffs in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten zur Bewährung verurteilt worden. An den der Verurteilung zugrundeliegenden Feststellungen des Amtsgerichts Braunschweig ergeben sich für die Kammer keine Zweifel. Entsprechend der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren abgegebenen eidesstattlichen Versicherung vom 8. April 2022 räumt letztlich auch der Antragsteller die Tat ein. Die vom Antragsteller begangene Straftat stellt einen massiven Vertrauensbruch dar. Sie ist bei der Behandlung einer Patientin und damit im Rahmen der unmittelbaren Berufsausübung erfolgt, was sich auch in der Anwendung des Straftatbestandes des § 174c StGB – sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses – ausdrückt. Der Antragsteller hat nach den Feststellungen des Strafgerichts zudem einen besonders schweren Fall des sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 6 Nr. 1 StGB begangen, indem er die Patientin durch das Eindringen in die Scheide besonders erniedrigte. Dabei nutzte er das ihm beruflich entgegengebrachte Vertrauen aus, indem er der Patientin gegenüber erklärte, er müsse das machen. Auch wenn der Antragsteller bislang weder strafrechtlich noch durch anderweitige Verfehlungen im berufsbezogenen Zusammenhang aufgefallen ist, ergibt sich unter Berücksichtigung von Art und Schwere der begangenen Straftat und des gravierenden Vertrauensbruchs eine negative Prognose hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers. Die Achtung der körperlichen Integrität, der sexuellen Selbstbestimmung und der persönlichen Ehre zählt zu den wesentlichen Berufspflichten eines Physiotherapeuten. Der Erwartung, sämtliche berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten, wird der Antragsteller wegen des schweren Verstoßes gegen wesentliche Berufspflichten prognostisch nicht gerecht.
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Vor diesem Hintergrund ist auch die Ermessensentscheidung des Antragsgegners, die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung zu widerrufen, rechtlich nicht zu beanstanden. Sind – wie hier – zentrale und grundlegende Pflichten im unmittelbaren Verhältnis zum Patienten betroffen, ist jede weitere Tätigkeit des betroffenen Physiotherapeuten geeignet, eine erhebliche Verunsicherung von Patienten auszulösen und deren Vertrauen in den Berufsstand des Physiotherapeuten insgesamt zu erschüttern. Das öffentliche Interesse an einem Widerruf der Erlaubnis überwiegt damit trotz der vom Antragsteller geltend gemachten wirtschaftlichen Folgen das Interesse des Antragstellers an der Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit und der Widerruf erscheint auch in Ansehung der grundrechtlich nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit nicht als unverhältnismäßig. Dementsprechend wäre ohne den Widerruf auch das öffentliche Interesse gefährdet.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt als milderes Mittel nicht in Betracht, dem Antragsteller die Behandlung nur eines bestimmten Personenkreises, insbesondere nur männlicher Patienten, aufzugeben. Für die berufsrechtliche Zuverlässigkeit eines Logopäden hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass diese nicht nach dem Geschlecht der Patienten aufgeteilt werden kann, weil eine solche Aufteilung gegen das vorgegebene Berufsbild verstößt (BVerwG, Urt. v 28.4.2010 – 3 C 22/09 -, juris). Durch die Fixierung eines Berufsbildes werde notwendigerweise auch der Rahmen bestimmt, auf den sich die berufsrechtlichen Zugangsvoraussetzungen beziehen. Da die Erteilung der Erlaubnis ausscheide, wenn der Antragsteller keine Gewähr dafür biete, seine Berufspflichten – und zwar alle – zuverlässig zu erfüllen, stehe es spiegelbildlich einem Widerruf nicht entgegen, dass er einem Teil seiner Berufspflichten nach wie vor zuverlässig nachkomme. In diesem Sinne sei die berufsrechtliche Zuverlässigkeit unteilbar. Das Berufsrecht der Logopäden kenne neben der uneingeschränkten Erlaubnis zum Führen der Bezeichnung Logopäde keine mindere Form der Erlaubnis, die eine vorübergehende oder auf bestimmte Tätigkeiten beschränkte Berufsausübung betrifft. Über Auflagen oder sonstige Nebenbestimmungen könne eine Berufserlaubnis als Logopäde gleichfalls nicht auf die Behandlung bestimmter Patientengruppen beschränkt werden, weil dadurch die mit der Hauptregelung zugesprochene unbeschränkte Erlaubnis teilweise wieder aufgehoben würde. Zu einer solchen Modifikation berechtige § 36 Abs. 1 VwVfG nicht (BVerwG, a. a. O.). Diese Rechtsprechung ist auf den Beruf des Physiotherapeuten zu übertragen. Das Berufsbild bedingt auch hier eine nicht teilbare berufsrechtliche Zuverlässigkeit. Eine mindere Form der Erlaubnis, die insbesondere eine auf bestimmte Tätigkeiten beschränkte Berufsausübung betrifft, ist auch im Berufsrecht der Physiotherapeuten nicht vorgesehen.
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Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Physiotherapeut wiegt das öffentliche Vollzugsinteresse schwerer als das Aussetzungsinteresse.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des in der Hauptsache angefochtenen Verwaltungsaktes bewirkt ein selbständiges vorläufiges Verbot zur Ausübung des Berufs des Physiotherapeuten, das in seinen Wirkungen über diejenigen des in der Hauptsache angefochtenen Verwaltungsakts hinausgeht und damit schwerwiegend in das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreift. Ein solcher Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn der Sofortvollzug schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgt. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.4.2010 – 1 BvR 2709/09 -, juris; Beschl. v. 19.12.2007 – 1 BvR 2157/07 -, juris; Beschl. v. 4.10.2006 – 1 BvR 2403/06 -, juris). Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes bedarf es somit noch einmal einer gesonderten, über die Beurteilung der zugrundeliegenden Verfügung hinausgehenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei für sofort vollziehbar erklärten Eingriffen in grundrechtlich gewährleistete Freiheitsrechte. Bei der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung sind mehrere Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen, insbesondere der Zusammenhang der begangenen Verfehlung mit der beruflichen Tätigkeit, das Bestehen einer Wiederholungsgefahr sowie (gegebenenfalls) die Intensität der drohenden Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter (vgl. OVG Saarl., Beschl. v. 23.4.2021 – 1 B 358/20 -, juris).
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Diese Prüfung ergibt, dass die aufschiebende Wirkung nicht wiederherzustellen ist. Mit der von ihm begangenen Straftat hat der Antragsteller – wie dargelegt – in gravierender Weise das für eine ordnungsgemäße Berufsausübung unabdingbare Vertrauen zwischen Physiotherapeut und Patient verletzt. Mit diesem Vertrauen untrennbar verbunden ist das Schutzgut der Volksgesundheit, in dessen Interesse Patienten die Gewissheit haben müssen, sich dem Physiotherapeuten als ihrem Helfer uneingeschränkt anvertrauen zu können und nicht etwa durch Misstrauen davon abgehalten werden, physiotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Volksgesundheit ist ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut (vgl. zum Widerruf der Approbation eines Arztes: BVerfG, Beschl. v. 8.9.2017 – 1 BvR 1657/17 -, juris). Bei Straftaten, wie der vom Antragsteller begangenen, sind nicht nur die körperliche Integrität, die sexuelle Selbstbestimmung und die Würde des Patienten betroffen, sondern auch das für die Behandlung unerlässliche Vertrauensverhältnis wird nachhaltig zerstört. Es ist zu besorgen, dass Patienten auf die Inanspruchnahme physiotherapeutischer Hilfe verzichten, weil sie Phy-siotherapeuten nicht mehr trauen können. Hierin liegt eine Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter.
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Die Gefahr ist bei einer fortwährenden Berufsausübung des Antragstellers auch kon-kret schon während der Dauer des laufenden Hauptsacheverfahrens gegeben. Maßgeblich ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Antragsteller eine hinreichende Unrechtseinsicht nicht erkennen lässt. Im Verwaltungsverfahren hat er im Rahmen der Anhörung die Begehung der Straftat mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23. März 2022 in Abrede gestellt und ausgeführt, zunächst sei festzuhalten, dass er die Straftat nicht begangen habe. Das im Strafverfahren abgegebene Geständnis sei vor dem Hintergrund einer in der Hauptverhandlung unter dieser Voraussetzung getroffenen Verständigung auf einen bestimmten Strafrahmen erfolgt. Soweit der Antragsteller im vorläufigen Rechtsschutzverfahren und in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung die Begehung der Tat wiederum einräumt, hat er keine nähere Erklärung für das Bestreiten der Tatbegehung im Verwaltungsverfahren gegeben. Der in diesem Zusammenhang erfolgte erneute Hinweis auf die im Strafverfahren getroffene Verständigung lässt zweifelhaft erscheinen, dass der Antragsteller das begangene Unrecht persönlich angenommen und sich damit ernsthaft auseinandergesetzt hat. Dass die geäußerte Reue auf echter Einsicht beruht, kann deshalb nicht angenommen werden.
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Neben den Aspekt der Vermeidung konkreter Gefahren durch künftige Pflichtverletzungen des Antragstellers tritt – wie ausgeführt – der berufsrechtliche Aspekt des Schutzes des Vertrauens der Bevölkerung in die Integrität der Personen, denen die staatliche Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Physiotherapeut verliehen ist. Eine fortdauernde Berufstätigkeit von Physiotherapeuten, die ihre Pflichten gegenüber Patienten gröblich verletzt haben, ist geeignet, das für jede physiotherapeutische Behandlung notwendige Vertrauen der Patienten in die Zuverlässigkeit der Berufsangehörigen über die Person des Antragstellers hinaus zu beeinträchtigen.
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Auch im Rahmen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO, bei der das Gericht nach seinem Ermessen zu befinden und nach seinem Ermessen geeignete Anordnungen zu treffen hat, mithin durch die grundsätzlich unteilbare berufsrechtliche Zuverlässigkeit nicht an die Berufsausübung inhaltlich beschränkenden Anordnungen gehindert ist (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 2.10.2019 – 2 B 229/19 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 15.7.2003 – 8 ME 96/03 -, juris), sieht sich die Kammer vor diesem Hintergrund und im Rahmen einer Interessenabwägung nicht dazu veranlasst, die aufschiebende Wirkung insoweit wiederherzustellen, als die Behandlung männlicher Patienten betroffen ist, oder eine Anordnung zu treffen, die dem Antragsteller die Behandlung männlicher Patienten erlaubt. Im Unterschied insbesondere zu der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 2. Oktober 2019 (a. a. O.), auf die der Antragsteller Bezug nimmt und in der eine entsprechende Auflage für möglich erachtet worden ist, ist der Antragsteller bereits rechtskräftig verurteilt, während für den Antragsteller in jenem Verfahren noch ein Berufungsverfahren anhängig war, weshalb ihm das Bestreiten der Vorwürfe nach der Begründung des Beschlusses noch nicht als Uneinsichtigkeit entgegenzuhalten war, die eine negative Gefahrenprognose rechtfertigt (a. a. O., Rnrn. 3, 10). Auch ist der Antragsteller im Gegensatz zu dem Verfahren des Oberverwaltungsgerichts Bremen nicht selbständig mit eigener Praxis, sondern als Angestellter tätig. Während bei selbständig Tätigen von schweren und kaum wiedergutzumachenden wirtschaftlichen Nachteilen eines vorläufigen Berufsverbots auszugehen ist, weil die vorläufige Schließung der Praxis den Verlust des Rufs und des Patientenstammes befürchten lässt (vgl. OVG Bremen, a. a. O., Rn. 6 m. w. N.), sind die Wirkungen des Sofortvollzugs bei einem angestellten Physiotherapeuten im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren weitgehend reparabel, denn ein angestellter Physiotherapeut würde, wenn auch ggf. in einem anderen Arbeitsverhältnis, wieder als Physiotherapeut tätig werden können (vgl. zu einem Rettungsassistenten: Nds. OVG, Beschl. v. 17.2.2016 – 8 ME 213/15 -, juris). Die Interessenabwägung fällt vor diesem Hintergrund anders aus als insbesondere in dem vom Oberverwaltungsgericht Bremen entschiedenen Verfahren.
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Soweit der Antragsgegner vor dem mit Sofortvollzug angeordneten Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung zunächst den Ausgang des Strafverfahrens abgewartet hat, ist dieses Vorgehen nicht zu beanstanden, zumal während eines laufenden Ermittlungsverfahrens noch nicht feststeht, ob es zu einer Verurteilung kommen wird. Nachdem der Antragsgegner von der Verurteilung Kenntnis erlangt hat, ist er unmittelbar tätig geworden.
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Die vom Amtsgericht Braunschweig ausgesprochene Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Soweit das Strafgericht die begründete Erwartung geäußert hat, der Antragsteller werde künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen, hat es sich nicht nur darauf gestützt, dass der Antragsteller erstmals verurteilt wurde und sich in der Hauptverhandlung durchaus beeindruckt gezeigt habe, sondern auch berücksichtigt, dass seitens der zuständigen Behörde aufgrund der Verurteilung weitere berufsrechtliche Konsequenzen drohen. Indem es die Möglichkeit berufsrechtlicher Konsequenzen, wie den vom Antragsgegner verfügten Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung, damit neben den weiteren genannten Aspekten zum Anlass der positiven Prognose genommen hat, hat es das Ergreifen derartiger Maßnahmen gerade nicht als rechtlich nicht geboten oder veranlasst, sondern als zu erwartende Folge angesehen.
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Schließlich stützen auch die vom Antragsteller vorgelegten Arbeitszeugnisse bzw. Beurteilungen seiner Arbeitgeber eine andere Entscheidung nicht. Zwar wird dem Antragsteller darin Zuverlässigkeit, Sorgfalt, Genauigkeit, Verantwortungsbewusstsein sowie uneingeschränkte Erfüllung der beruflichen Verpflichtungen und Verlässlichkeit bescheinigt, dies steht aber im grundlegenden Widerspruch zu der Straftat, die der Antragsteller in Ausübung seines Berufes in der Praxis eines seiner Arbeitgeber begangen hat. Diese Tat findet in den Bescheinigungen weder Erwähnung noch wird sie inhaltlich gewürdigt, was den Aussagewert der Bescheinigungen erheblich mindert.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Ziffer 14.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in NVwZ-Beilage 2013, 57), wobei der für das Hauptsacheverfahren anzusetzende Streitwert in Höhe von 15.000,– EUR für das vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren ist (vgl. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs).
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