„Die Pflichtenstellung von Gesundheits- und Krankenpflegern – und ebenso Krankenschwestern – wird maßgeblich durch ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den zu pflegenden alten Menschen bestimmt. Dies ist insbesondere den Regelungen zu ihrer Ausbildung zu entnehmen (vgl. Senatsbeschl. v. 17. März 2013 – 8 LA 155/12 – NJW 2013, 3462, juris, Rn. 10 ff.). Es verletzt die Berufspflichten des Krankenpflegers, wenn er dieses Vertrauensverhältnis zum Nachteil des zu pflegenden Menschen ausnutzt. Gemäß § 3 Abs. 1 KrPflG soll die Ausbildung entsprechend dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur verantwortlichen Mitwirkung insbesondere bei der Heilung, Erkennung und Verhütung von Krankheiten ermitteln. Die Pflege ist dabei unter Einbeziehung präventiver, rehabilitativer und palliativer Maßnahmen auf die Wiedererlangung, Verbesserung, Erhaltung und Förderung der physischen und psychischen Gesundheit der zu pflegenden Menschen auszurichten. Dabei sind die unterschiedlichen Pflege- und Lebenssituationen sowie Lebensphasen und die Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Menschen zu berücksichtigen. Die Ausbildung soll insbesondere auch dazu befähigen, die zu pflegenden Menschen und ihre Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit zu beraten, anzuleiten und zu unterstützen (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c KrPflG). Diese Ausbildungsziele konkretisierend bestimmen §§ 13 ff. Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege – KrPflAPrV – vom 10. November 2003 (BGBl. I S. 2263), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. April 2016 (BGBl. I S. 886), dass ein Krankenpfleger Pflegesituationen bei Menschen aller Altersgruppen erkennen, erfassen und bewerten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KrPflAPrV), Pflegemaßnahmen auswählen, durchführen und auswerten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KrPflAPrV), Pflegehandeln an pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen, Qualitätskriterien, rechtlichen Rahmenbestimmungen sowie wirtschaftlichen und ökologischen Prinzipien ausrichten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KrPflAPrV), Unterstützung, Beratung und Anleitung in gesundheits- und pflegerelevanten Fragen fachkundig gewährleisten (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KrPflAPrV), berufliches Selbstverständnis entwickeln und lernen, berufliche Anforderungen bewältigen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KrPflAPrV), alle anfallenden Aufgaben einer prozessorientierten Pflege einschließlich der Dokumentation und Übergabe erfüllen, sein Pflegehandeln erläutern und begründen und auch sonst die Aufgaben der Gesundheits- und Krankenpflege nach § 3 Abs. 1 KrPflG eigenverantwortlich ausführen (§ 15 Abs. 1 KrPflAPrV) können muss. Nach diesem Aufgabenkanon wird von dem Krankenpfleger bei Ausübung seines Berufs offensichtlich mehr erwartet als die bloße eigenverantwortliche und fachkundige Erbringung gesundheits- und krankenpflegerischer Leistungen. Der zu pflegende Mensch soll von dem Krankenpfleger nicht als bloßes Objekt pflegerischer Leistungen behandelt werden. Gefordert ist vielmehr ein individueller, die subjektive Pflege- und Lebenssituation, die Lebensphase und die konkreten Möglichkeiten der Selbständigkeit und Selbstbestimmung des Patienten berücksichtigender Umgang. Der Krankenpfleger soll den Patienten bei der individuellen Auseinandersetzung mit der Krankheit beraten und in gesundheits- und pflegerelevanten Fragen anleiten und unterstützen. Die Erfüllung dieser Aufgaben durch den Krankenpfleger setzt nahezu zwingend ein Vertrauensverhältnis zum Patienten voraus. Krankenpflegekräfte haben mit den engsten Kontakt zum Patienten; diese Beziehung bestimmt maßgeblich das Pflegeergebnis mit (vgl. Stache, Beitrag von Verträgen zur Steuerung von Pflegequalität – empirische Untersuchung am Beispiel der vollstationären Pflege, 2008, S. 32, 94 und 105 m. w. N.). Die Berufe in der Krankenpflege genießen daher sowohl bei den zu pflegenden Menschen als auch in der Bevölkerung allgemein ein sehr großes Vertrauen (vgl. Reader’s Digest, European Trusted Brands, 2013, S. 26). Der Patient muss gerade in einer mit gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen seiner Selbständigkeit und Selbstbestimmung verbundenen Situation darauf vertrauen können, dass eine ihn pflegende und zur Führung der Berufsbezeichnung „Krankenpfleger“ berechtigte Person zuverlässig ist und diese Situation nicht zu seinem Nachteil verletzt oder gar ausnutzt. Handelt ein Krankenpfleger dem zuwider und nutzt er das bestehende Vertrauensverhältnis zum Nachteil des zu pflegenden Menschen aus oder verletzt dieses in erheblicher Weise, liegt hierin regelmäßig ein schwerer Verstoß gegen eine wesentliche Berufspflicht. Hierfür ist es unerheblich, ob das Verhalten des Krankenpflegers auch strafrechtlich relevant oder gar strafrechtlich geahndet worden ist (vgl. Senatsbeschl. v. 17. Juni 2013 – 8 LA 155/12 –, NJW 2013, 3462, juris, Rn. 12).“
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