Frankfurt (ots)
+++ OBS-Studie analysiert, wie die gegenwärtigen Krisen in der Nachwendegeneration verarbeitet werden +++ Zentraler Befund: In Ost und West fehlt Vertrauen, dass die Zukunft zum Besseren gestaltet werden kann +++ Die gesellschaftliche Stimmung wird als gespalten wahrgenommen, Zweifel an den Lösungskompetenzen der Politik sind verbreitet +++ Diesjährige OBS-Jahrestagung „Raus aus der Krise! Ostdeutschland zwischen Krise und Aufbruch“ diskutiert die Ergebnisse und Thesen am 23. November in Berlin +++ Anmeldungen möglich bis zum 13. November +++
Die Nachwendegeneration zeigt sich krisenmüde und überfordert von den Anpassungen der letzten Jahre. Der Blick nach vorne ist durch große Verunsicherung geprägt, auch weil der Politik wenig Gestaltungskraft für eine bessere Zukunft zugesprochen wird. Zu diesem Schluss kommt ein aktuelles Arbeitspapier der Otto Brenner Stiftung (OBS). Das Autorenteam Simon Storks, Rainer Faus und Jana Faus hat in einer qualitativen Studie untersucht, wie die Krisendynamiken der letzten Jahre diejenigen prägt, die in Deutschland nach 1989 geboren sind. Die Analyse mehrerer Fokusgruppen verdeutlicht: Geeint zeigt sich die Nachwendegeneration gegenwärtig in einer pessimistischen Stimmung. In Ost wie West ist die private Situation vielfach von finanziellen Sorgen und Unsicherheiten geprägt, die in Ostdeutschland auch durch das niedrigere Lohnniveau bedingt sind.
Damit stehen die Ergebnisse in klarem Kontrast zur Vorgängerstudie aus dem Jahr 2019, in der die OBS gemeinsam mit dem Autorenteam erstmals Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der ost- und westdeutschen Nachwendegeneration untersucht hatte. Ein zentrales Ergebnis damals – ein geteilter hoffnungsvoller Blick in die Zukunft – ist im Zuge der multiplen Krisenerfahrungen der letzten Jahre ins Gegenteil umgeschlagen. Auch das Vertrauen in Demokratie und Politik sowie die Einschätzungen zu sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt haben sich seit der ersten Erhebung verschlechtert.
„Der in der Nachwendegeneration verbreitete Pessimismus ist ein nicht zu unterschätzendes Problem für die Demokratie“, so Studienautorin Jana Faus. Der Studie zufolge fehle es insbesondere an positiven Erfahrungen politischer Teilhabe. „Das Gefühl, politisch machtlos zu sein, ist weit verbreitet. Als Folge stehen viele den gesellschaftlichen Entwicklungen ohnmächtig gegenüber“, ergänzen die Ko-Autoren Simon Storks und Rainer Faus. Hinzu kommt: Aufgrund einer als gespalten und verhärtet wahrgenommen gesellschaftlichen Stimmung werden politische Diskussionen eher vermieden. Insgesamt beobachtet die Studie einen Rückzug ins Private.
Auch Ansätze autoritärer Krisenverarbeitungen werden in den Fokusgruppen sichtbar: Der Eindruck, die eigenen Sorgen würden von der Politik nicht gehört, wird verbunden mit entsolidarisierenden Abgrenzungen „nach unten“. Hochgehalten wird ein neoliberales Leistungsprinzip, demzufolge Armut und Arbeitslosigkeit als individuelles Selbstverschulden gewertet werden.
„Die Ergebnisse verdeutlichen: Die Politik muss ihre Problemlösungsfähigkeit erfolgreicher unter Beweis stellen und durch überzeugende Zukunftsprogramme die Akzeptanz und Unterstützung der Bürger*innen gewinnen“, betont das Autorenteam. Diese fehle derzeit in der Nachwendegeneration, in der Politik mehrheitlich als planlos reagierend statt aktiv gestaltend wahrgenommen wird.
Die Befunde der Untersuchung versteht die OBS auch mit Blick auf das bevorstehende Superwahljahr 2024 in Ostdeutschland als Warnsignal. Unter dem Titel „Raus aus der Krise! Ostdeutschland zwischen Krise und Aufbruch“ stellt sie die zentralen Ergebnisse der Studie im Rahmen der OBS-Jahrestagung im November in Berlin vor. Die Moderatorin Nadine Lindner (Deutschlandfunk Hauptstadtstudio) diskutiert mit Studienautorin Jana Faus, der Journalistin und Autorin Marlen Hobrack, dem Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland Carsten Schneider sowie Lisa Neubert, Jugend- und Auszubildendenvertreterin bei VW in Zwickau.
„Mit unserer Jahrestagung wollen wir nicht bei der Problemdiagnose stehen bleiben, sondern konkret besprechen, was zu tun ist“, sagt OBS-Geschäftsführer Jupp Legrand. „Klar ist aber: Eine Demokratie, die sich auch in Krisenzeiten als stabil behauptet, bedarf der Lohngerechtigkeit in der Arbeitswelt. Auch zeigen Ergebnisse weiterer OBS-Studien, dass Erfahrungen von Teilhabe im Beruf demokratische Einstellungen der Beschäftigten stärken“, so Legrand weiter.
Die OBS-Jahrestagung findet am 23. November 2023 von 14:00 bis 16:00 Uhr in Berlin statt. Über das Programm informiert die Website der OBS. Eine Anmeldung ist möglich bis zum 13. November: www.otto-brenner-stiftung.de/obs-jahrestagung-2023
Die Veranstaltung kann auf der Stiftungswebsite auch als Livestream verfolgt werden.
Simon Storks, Rainer Faus und Jana Faus: Auf der Suche nach Halt, Die Nachwendegeneration in Krisenzeiten, OBS-Arbeitspapier 62, Frankfurt am Main, im November 2023
OBS-Arbeitspapier 62 online lesen, bestellen oder downloaden: www.otto-brenner-stiftung.de/die-nachwendegeneration-in-krisenzeiten/
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