Berlin (ots)
Die Erfahrungen aus der Pandemie haben aus Sicht des AOK-Bundesverbandes gezeigt, dass in der Krankenhaus-Versorgung in Zukunft mehr Spezialisierung von Kliniken und eine Konzentration von Leistungen notwendig sind. „Gerade ein herausforderndes Krankheitsbild wie Covid-19 braucht eine Versorgung durch spezialisierte und routinierte Behandlungsteams an gut ausgestatteten Kliniken“, sagt die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, anlässlich der Vorstellung des Krankenhaus-Reports 2022.
In einigen Regionen hätten Stufenpläne dazu beigetragen, dass schwer erkrankte Patientinnen und Patienten mit Covid-19 in erster Linie in Unikliniken und Krankenhäusern der Maximalversorgung mit der nötigen Ausstattung und erfahrenen Teams behandelt worden sind. Laut einer Auswertung für den Krankenhaus-Report hat ein Viertel der Kliniken in Deutschland etwa 62 Prozent der schwer erkrankten Patientinnen und Patienten mit Covid-19 behandelt, aber es gibt auch viele Kliniken, die nur wenige Fälle behandelt haben. „Die Pandemie zeigt erneut, wie dringlich eine Krankenhausreform ist, die Zentrenbildung, mehr Kooperation und mehr Spezialisierung der Kliniken forciert“, so Reimann.
„Ärzte und Pflegekräfte in den Kliniken machen einen hervorragenden Job, gerade auf den Intensivstationen und bei der Behandlung der schwer erkrankten Patientinnen und Patienten mit Covid-19“, betont Reimann. Nach Einschätzung der AOK ist die extreme Belastung des Personals in den Kliniken aber auch eine Folge der historisch gewachsenen Krankenhaus-Landschaft in Deutschland: „Wir verteilen unsere gut ausgebildeten Mediziner und Pflegekräfte auf viel zu viele Klinikstandorte“, so die AOK-Vorständin. Dies sei ineffizient und erhöhe die Arbeitsbelastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Reimann fordert, die anstehende Struktur- und Finanzreform im Krankenhausbereich für einen „klug geplanten, gesteuerten und qualitätsorientierten Umbau der Versorgungsstrukturen“ zu nutzen. Aus Sicht der AOK brauche es einen neuen ordnungspolitischen Rahmen für eine sektorenübergreifende Versorgung mit einer sinnvollen Leistungs- und Mengensteuerung. Die im Krankenhaus-Report 2022 berichteten starken Fallzahl-Einbrüche bei den sogenannten „ambulant-sensitiven“ Diagnosen im bisherigen Verlauf der Pandemie seien ein deutlicher Hinweis darauf, dass in Deutschland wesentlich mehr Krankenhausfälle ambulant versorgt könnten als bisher. Die Planung ambulanter und stationärer Leistungen müsse künftig zusammengefasst werden und durch sogenannte „3+1“-Gremien mit Beteiligung von Vertragsärzten, Kliniken, Krankenkassen sowie Vertreterinnen und Vertretern des jeweiligen Bundeslandes gemeinsam verantwortet werden. Klinik-Standorte, die in dieser Form nicht mehr benötigt werden, sollten zu interprofessionellen Gesundheitszentren umgebaut werden, die ambulante Leistungen erbringen.
Mehr GKV-Mittel für weniger Krankenhaus-Leistungen
Reimann hebt hervor, dass die Gesetzliche Krankenversicherung in der Corona-Pandemie für eine auskömmliche, faire und leistungsgerechte Finanzierung der Krankenhäuser steht: „Trotz der vielen ausgefallenen Behandlungen und Operationen ist durch die GKV in den vergangenen beiden Jahren sogar mehr Geld an die Krankenhäuser überwiesen worden als vor der Pandemie.“ Allein im ersten Pandemie-Jahr 2020 waren es etwa 1,3 Milliarden Euro mehr als 2019. „Auch 2021 und 2022 ist der Rettungsschirm mit Corona-Ausgleichsregelungen, Freihaltepauschalen und Versorgungsaufschlägen weit aufgespannt worden“, so Reimann. Die jüngst vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Daten zu den Krankenhaus-Ausgaben der GKV zeigen, dass es 2021 bei den Ausgaben im stationären Bereich einen weiteren Anstieg von rund 3,6 Mrd. Euro gab – das sind 4,4 Prozent mehr. Zudem wurden 2020 etwa 10 Milliarden Euro und 2021 mehr als 5 Milliarden Euro aus Steuermitteln an die Krankenhäuser ausgezahlt. „Von einer flächendeckenden finanziellen Notlage der Kliniken kann also keine Rede sein – im Gegenteil: Das Insolvenzrisiko ist für die Kliniken seit Jahren geringer als in der Gesamtwirtschaft“, sagt Reimann. Die von der AOK angebotenen unbürokratischen Liquiditätshilfen für Kliniken, die von einer finanzielle Schieflage bedroht sind, seien in diesem Jahr bisher noch gar nicht in Anspruch genommen worden.
Auch angesichts der sich abzeichnenden Finanzierungslücke der gesetzlichen Krankenversicherung von 17 Milliarden Euro im kommenden Jahr sei es wichtig, die bisherigen ineffizienten Strukturen im Krankenhaus-Bereich zu reformieren. „Die Chancen für eine grundlegende Struktur- und Finanzreform im Krankenhausbereich sollten jetzt genutzt werden“, fordert Reimann. „Die von Minister Lauterbach angekündigte Expertenkommission zur Krankenhausreform sollte daher nun zügig ihre Arbeit aufnehmen – mit Beteiligung der Wissenschaft, aber auch unter Einbeziehung der Krankenkassen.“
Mehr Informationen zum Krankenhaus-Report 2022: www.aok-bv.de
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