Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Oldenburg (Oldenburg) 12. Kammer | 12 A 485/01 | Urteil | Bestimmung der Haupt- und Nebenwohnung

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VG Oldenburg (Oldenburg) 12. Kammer,
Urteil vom
19.03.2002, 12 A 485/01, ECLI:DE:VGOLDBG:2002:0319.12A485.01.0A

§ 12 MRRG, § 8 MeldeG ND

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Beklagten hat.

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Unter dem 14. März 2000 meldete der Kläger für sich und seine Ehefrau die Wohnung „Am W.“ in 26465 L. als Hauptwohnung an. Gleichzeitig legte er eine Abmeldebestätigung der Stadt W. betreffend die bisherige Wohnung „Am T.“ in W. vom 8. März 2000 vor.

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Mit Schreiben vom 22. März 2000 forderte die Beklagte den Kläger auf, weitere Angaben unter anderem dazu zu machen, an welchem Ort er und seine Ehefrau sich überwiegend aufhielten, wann der Umzug nach L. stattgefunden habe, welcher tatsächlicher Wohnraum zur Verfügung stehe und an welchem Ort sich der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse befinde.

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Unter dem 12. April 2000 führte der Kläger hierzu aus, dass er und seine Frau sich bis September des Jahres 1999 die meiste Zeit in W. und Umgebung aufgehalten hätten. An den Wochenenden, mindestens 40 mal im Jahr, sei er auf der Insel L. gewesen. Der Umzug sei im Juni 1968 erfolgt. Nach dem Umbau einer Ferienwohnung stünden ihnen 64 m² Wohnfläche zur Verfügung. Ihr Haus in W. werde zurzeit noch von ihnen mitbewohnt und solle von ihrer Tochter übernommen werden. Seit Abgabe seine Betriebes zum 1. August 1999 hätten seine Frau und er den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse nach L. verlegt. In der Folgezeit führte der Kläger weiter aus, er habe in der Vergangenheit bereits jahrelang seinen Hauptwohnsitz auf L. gehabt. Ihm lägen hierüber jedoch keine Unterlagen mehr vor. Gleiches gelte für die Umzugskosten aus dem Jahr 1968. In der Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 31. Dezember 1999 sei er 68 Werktage (einschließlich Sonnabende) auf der Insel gewesen; hochgerechnet auf ein Jahr also 272 Tage. Er habe 48 Wochenenden auf der Insel verbracht, so dass von 325 Tagen auszugehen sei. Zurzeit hätten sie keine Wohnung in W. mehr.

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Mit Bescheid vom 14. September 2000 setzte die Beklagte die Wohnung des Klägers „Am W.“ als Nebenwohnung fest. Zur Begründung führte sie aus: Die Nachprüfung habe ergeben, dass die L.er Wohnung nicht die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie des Klägers sei. Nach Angaben des Steuerberaters des Klägers aus dem Jahr 1994 hätten der Kläger und seine Ehefrau diese Wohnung nur gelegentlich genutzt. Er habe keine Unterlagen, z. B. Umzugsrechnungen oder andere geeignete Belege vorgelegt, aus denen ersichtlich sei, dass die Wohnung in W. aufgegeben worden sei, um die Wohnung in L. dauerhaft zu nutzen. Der Kläger und seine Ehefrau seien nach wie vor postalisch unter der Anschrift in W. zu erreichen. Unter dieser Anschrift führten sie auch den Schriftverkehr mit dem Bauamt L.. Die Vermietung des L.er Ferienhauses erfolge von W. aus. Es bestehe nach wie vor ein Telefonanschluss für die Wohnung in W.. Die Betreuung und Reinigung der L.er Ferienwohnungen werde von einer ortsfremden Reinigungskraft durchgeführt. Es sei auch nicht zutreffend, dass die Wohnung im vergangenen Winter baulich vergrößert worden sei. Eine entsprechende Baugenehmigung liege nicht vor. In dem Haus des Klägers auf der Insel L. befänden sich vier Ferienwohnungen. Unter Berücksichtigung dieser Räumlichkeiten sei es nicht plausibel, dass der Kläger und seine Ehefrau in dem Haus eine weitere Wohnung dauerhaft bezogen hätten.

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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 12. Oktober 2000 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte stelle nicht hinreichend auf die gegenwärtige Situation ab. Die Wohnung sei vor mehr als zehn Jahren als Altersruhesitz ausgestattet worden. Belege seien nicht mehr vorhanden. Fahrkarten gebe es für den zu betrachtenden Zeitraum nicht mehr. Seine postalische Adresse sei L., Am W.. Dass die an die Anschrift in W. gerichtete Post ihn erreiche, liege daran, dass sie von seiner Tochter, die sein Haus in W. bewohne, weitergeleitet werde.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2001 wies der Landkreis W. den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus: Die Beklagte habe die Wohnung auf L. zu Recht zur Nebenwohnung bestimmt. Hauptwohnung sei die vorwiegend benutzte Wohnung. Ermittlungen der Beklagten hätten ergeben, dass die Wohnung in L. nicht hauptsächlich oder überwiegend genutzt werde. Die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid seien zutreffend. Ein Mitarbeiter der Beklagten habe in unregelmäßigen Zeitabständen die Wohnung in L. aufgesucht, den Kläger jedoch nie angetroffen. Bei zwei seitens des Landkreises getätigten Anrufen unter der Telefonnummer in W. seien entweder der Kläger oder seine Frau erreichbar gewesen. Eine Nachfrage bei der Deutschen Post in Wilhelmshaven habe ergeben, dass normale Briefsendungen unter der Adresse in W. zugestellt oder in das Postfach in W. eingelegt würden. Die Postzusteller in W. hätten angegeben, dass nicht bekannt sei, dass der Kläger nach L. verzogen sei. Bei den von der Post zugestellten Einschreiben oder Postzustellungsurkunden seien entweder der Kläger oder seine Frau in W. anwesend. Ein Nachsendeantrag liege nicht vor. Aus den vom Kläger vorgelegten Quittungen für Fährtickets lasse sich ein überwiegender Aufenthalt auf L. nicht ableiten.

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Der Kläger hat am 19. Februar 2001, einem Montag, Klage erhoben. Er trägt vor: Die Beklagte stütze sich zu Unrecht auf Angaben des Steuerberaters aus dem Jahr 1994. Zum damaligen Zeitpunkt seien diese Angaben zutreffend gewesen, da er noch in W. berufstätig gewesen sei. Zwischenzeitlich sei dies nicht mehr der Fall. Nunmehr werde die L.er Wohnung dauerhaft genutzt. Die Anzahl der Ferienwohnungen im Haus des Klägers sei von vier auf drei reduziert worden. Soweit die Beklagte darauf abstelle, dass er weiterhin über ein Postfach in W. zu erreichen sei, sei dies dadurch zu erklären, dass die Post für seine ehemalige Firma sowohl an das Postfach als auch an dessen Anschrift in W. gesandt worden sei. Er sei mit dem Erwerber seiner Firma überein gekommen, dass er keinen Nachsendeantrag stelle, um zu vermeiden, dass Geschäftspost auf die Insel L. nachgesandt werde. Die Post werde jeden Tag von dem neuen Inhaber der Firma kontrolliert, seine Privatpost leite er an ihn weiter. Post, die an die Anschrift „Am T.“ in W. gelange, werde von dessen Tochter an ihn weiter geleitet. Seit dem Umzug nach L. gäben er und seine Ehefrau ihre neue Anschrift in L. an. Soweit für die Vermietung der Ferienwohnungen immer noch eine Telefax-Nummer in W. angegeben werde, handele es sich um die Firmen-Fax-Nummer. Er und seine Ehefrau hätten sich auf der Insel kein eigenes Faxgerät angeschafft, weil sich dies für sie nicht lohne. Dass er unter der Telefonnummer in W. zu erreichen sei, erkläre sich dadurch, dass eine Anrufweiterschaltung bestehe. Entgegen den Angaben der Beklagten würden die Ferienwohnungen in dem Haus von seiner Ehefrau betreut und gereinigt. Aus den von ihm vorgelegten Quittungen für Fährtickets sei ersichtlich, dass er regelmäßig – auch werktags – auf die Insel zurückgekehrt sei. Im Jahr 2000 hätten er und seine Ehefrau sich an insgesamt 251 Tagen auf der Insel aufgehalten.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 14. September 2000 und den Widerspruchsbescheid des Landkreises W. vom 16. Januar 2001 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Entgegnung bezieht sie sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend führt sie aus: Die Klage sei bereits unzulässig. Es fehle das erforderliche Rechtsschutzinteresse für die Anfechtungsklage, da sie für das Ziel, die Wohnung des Klägers im Gebiet des Beklagten als Hauptwohnung zu bestimmen, nicht rechtschutzintensiv genug sei. Die Klage sei auch nicht begründet. Die Angaben des Klägers seien weder plausibel noch schlüssig. Es sei schon nicht erkennbar, welche der unterschiedlich großen Ferienwohnungen in Zukunft nicht mehr vermietet werden solle. Unklar sei, wie aus der Aufgabe einer Ferienwohnung eine Wohnung mit einer Nutzfläche von 34 m² geschaffen worden sei, welche ein 30 m² großes Wohnzimmer einschließlich Küche, ein Badezimmer, zwei Schlafräume und Flure umfassen solle. Ebenso wenig sei nachvollziehbar, weshalb der Kläger ein Interesse daran haben solle, dass ihn Geschäftspost erreiche, die an eine jetzt fremde Firma gerichtet sei. Die Vermietung der Ferienwohnungen erfolge von W. aus. Aus den vom Kläger vorgelegten Fährtickets lasse sich nicht herleiten, dass er sich überwiegend in dem Gebiet der Beklagten aufgehalten habe. Nachweise für einen Umzug aus der 120 m² großen Wohnung in die 64 m² große Wohnung auf dem Gebiet der Beklagten lägen nicht vor. Der Umstand, dass für die Vermietung der Ferienwohnungen immer noch eine Telefax-Nummer in W. angegeben werde, sei nicht nachvollziehbar.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.).

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1. Der Zulässigkeit der Klage steht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entgegen, dass der Kläger lediglich einen Anfechtungsantrag gestellt hat. Denn sein Begehren muss im Wege einer Anfechtungsklage verfolgt werden.

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Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid im Wege eines (zulässigen) feststellenden Verwaltungsaktes die Wohnung des Klägers in L. als Nebenwohnung festgesetzt. § 25 Abs. 1 i.V.m. § 8 des Niedersächsischen Meldegesetzes – Nds. MeldeG – vom 25. Januar 1998 (Nds. GVBl. S. 56) bietet eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des ergangenen feststellenden Verwaltungsaktes. Die Vorschrift ermächtigt zwar nicht ausdrücklich zum Erlass von – belastenden oder feststellenden – Verwaltungsakten. Die Befugnis hieraus ergibt sich jedoch im Wege der Auslegung der Vorschriften. § 25 Abs. 1 Nds.MeldeG ermächtigt die Meldebehörde gespeicherte unrichtige Daten von Amts wegen oder auf Antrag zu berichtigen. Erfolgt eine solche Berichtigung zur Klärung der Frage, welche Wohnung die vorwiegend benutzte Wohnung i.S.d. des § 8 des Nds. MeldeG ist, kommt es auf die Einwilligung des Meldepflichtigen nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht an. Die Berichtigung kann vielmehr auch gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen. In der Einräumung einer solchen Möglichkeit durch die genannten Vorschriften ist damit eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage zu sehen (so auch in ständiger Rechtsprechung VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Oktober 1998 – 1 S 2348/97 -, DVBl. 1999, 335 ff. m.w.N.; Bay. VGH, Urteil vom 9. Dezember 1988 – 5 B 87.04031 -, NVwZ-RR 1989, 365 ff.). Jedenfalls in einem Fall, in dem wie hier die nach dem Gesetz notwendige Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenwohnung nur zwischen zwei Wohnsitzen zu treffen ist, kann der Betroffene Bürger regelmäßig seine Rechte umfassend im Wege der Anfechtungsklage gegen die nach seiner Auffassung unzutreffende Wohnungsbestimmung geltend machen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. April 1992 – 1 S 2186/91 -, NVwZ-RR 1992, 480 ff.).

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2. Die danach zulässige Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass die Wohnung des Klägers in L. dessen vorwiegend benutzte Wohnung ist.

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Nach § 12 des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1430) i.V.m. § 8 des Nds. MeldeG in der genannten Fassung ist dann, wenn eine Person mehrere Wohnungen im Inland hat, die vorwiegend benutzte Wohnung die Hauptwohnung. Die Hauptwohnung einer verheirateten Person, die – wie hier – nicht dauernd getrennt von ihrer Familie lebt, ist danach die von der Familie „vorwiegend benutzte Wohnung.“ Hierbei handelt es sich um einen gerichtlichen in vollem Umfang nachprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff, der als solcher näherer Konkretisierung bedarf. Auf die Frage, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen liegt, kommt es nur in Zweifelsfällen an (§ 12 Abs. 2 Satz 3 MRRG, § 8 Abs. 1 Satz 3 Nds. MeldeG). Die vorwiegende Benutzung einer von mehreren Wohnungen ist dort anzunehmen, wo sich der Einwohner am häufigsten aufhält. Melderechtlich kommt es auf die zukünftige Benutzung der Wohnung an, so dass eine Einschätzung des zukünftigen Verhaltens des Einwohners geboten ist. Die vorwiegende Benutzung bestimmt sich nicht nach dem Aufenthalt in der Wohnung selbst, sondern nach dem Aufenthalt an dem Ort, in dem sich die Wohnung befindet. Zur Ermittlung der vorwiegenden Benutzung einer von mehreren Wohnungen ist eine quantitative Berechnung durch Gegenüberstellung der Nutzungszeiten geboten. Diese Betrachtungsweise entspricht dem Wortsinn des Begriffs „vorwiegend“ und den Intentionen des Gesetzgebers, die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenwohnung eindeutig festzulegen, weil daran Behördenzuständigkeiten sowie Rechte und Pflichten des Einwohners anknüpfen (BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1991 – 1 C 24/90 -, BVerwGE 89, 110 ff. m. zahlr. w. N.). Ausgangspunkt für die Bestimmung der Hauptwohnung sind die Angaben des Einwohners. Der Einwohner entscheidet, wo er eine Wohnung bezieht und – beim Bezug mehrerer Wohnungen – welche der Wohnungen er vorwiegend benutzen wird. Die Meldebehörden haben diesen Tatbestand nach §  1 Abs. 1 MRRG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. MeldeG lediglich zu registrieren. Das heißt jedoch nicht, dass Einwohner unabhängig von der zu erwartenden Benutzungsgewohnheit eine Wohnung als Hauptwohnung auswählen können. Dies bestimmt sich vielmehr nach dem in §§ 12 Abs. 2 MRRG, 8 Abs. 1 Nds. MeldeG genannten Kriterien, da anderenfalls die in den genannten Gesetzen aufgenommene Legaldefinition der Hauptwohnung überflüssig wäre (BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1991, a.a.O.). Mit Rücksicht auf den Massenbetrieb im Meldewesen und die der Meldebehörde nicht ohne Weiteres zugänglichen persönlichen Verhältnisse und Absichten des Einwohners wird die Prüfung, ob die Angaben des Einwohners zutreffend sind, zumeist auf eine Plausibilitätsprüfung beschränkt sein, d. h. auf die Frage, ob die Angaben in sich schlüssig und glaubhaft sind. In diese Prüfung darf die Meldebehörde Erfahrungstatsachen über die Benutzungsgewohnheiten bestimmter Personengruppen einbeziehen. Legt der Einwohner substantiiert dar, dass und warum er eine Wohnung vorwiegend benutzt, dann darf die Meldebehörde sich über diese Angaben nicht einfach hinweg setzen, sondern muss gegebenenfalls den Sachverhalt weiter aufklären. Lassen sich Zweifel an der vorwiegenden Benutzung der einen oder anderen Wohnung nicht ausräumen, hat die Meldebehörde gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 MMRG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 3 Nds. MeldeG auf den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners abzustellen.

20

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kammer davon überzeugt, dass die Wohnung in L. die vorwiegend benutzte Wohnung ist. Die entsprechenden Ausführungen des Klägers sind schlüssig und glaubhaft. Er hat insoweit ausgeführt, dass er nach Aufgabe seiner Firma in W. nunmehr eine seiner vier Ferienwohnungen in L. als Hauptwohnung nutze. Diese diene ihm nun als Altersruhesitz. Die an ihn gerichtete Post leite seine Tochter an ihn weiter. Zu den Hinweisen der Beklagten auf seine Angaben im Gastgeberverzeichnis und zu seiner Fax-Nummer gab er an:

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Im Gastgeberverzeichnis für das Jahr 2000 sei noch seine Adresse in W. angeführt, weil die erforderlichen Daten noch im Jahr 1999 erhoben worden seien. Nunmehr sei seine Anschrift in L. aufgeführt. Dass im Gastgeberverzeichnis für das Jahr 2001 eine Telefaxnummer in W. angegeben sei, sei darauf zurückzuführen, dass es sich hierbei um die Firmentelefaxnummer handele. Er habe sich auf der Insel kein eigenes Telefaxgerät angeschafft, da sich dies für ihn nicht lohne.

22

Die Kammer ist davon überzeugt, dass sich nach der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit des Klägers in W. eine gravierende Änderung im Hinblick auf die Benutzung der Wohnung in L. ergeben hat. Der Kläger hat durch seine Ausführungen hinreichend dargelegt, dass nunmehr in quantitativer Hinsicht eine wesentlich stärkere Nutzung erfolgt, als vor dem Jahr 2000. Das wird bestätigt durch die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen über seine Fahrten von und nach L. (Ausdruck Service-Terminal L.-Card vom 6. Juni 2001). Daraus ist ersichtlich, dass der Kläger sich in den Monaten April und Mai 2001 ganz überwiegend auf der Insel L. aufgehalten hat. Bezieht man die Ab- und Anreisetage ein, so ergeben sich für die Monate April und Mai 2001 lediglich 3 Tage, an denen er nicht auf der Insel gewesen ist. Überträgt man diese Aufenthaltszeiten auf ein Jahr, so ergibt sich bei einer Gegenüberstellung der Nutzungszeiten der Wohnungen des Klägers, dass die Wohnung in L. zweifelsfrei die vorwiegend genutzte Wohnung ist. Die Kammer hat – unter Berücksichtigung der schlüssigen und glaubhaften Ausführungen des Klägers – keine Bedenken, die von ihm vorgetragenen An- und Abwesenheitszeiten einer Betrachtung für einen Zeitraum eines Jahres zugrunde zu legen. Anhaltspunkte dafür, dass sich das Verhalten des Klägers in den Monaten April und Mai 2001 anders dargestellt  als in anderen Monaten, liegen nicht vor. Die Kammer verkennt nicht, dass aus der vom Kläger vorgelegten Aufstellung lediglich die Benutzung einer nicht  personenbezogenen Fahrkarte ersichtlich ist. Es liegen aber keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Fahrkarte nicht auch tatsächlich vom Kläger, wie von ihm behauptet, benutzt worden ist.

23

Unabhängig von den vorstehenden Äußerungen hätte die Klage auch dann Erfolg, wenn die vorwiegende Benutzung einer Wohnung nicht zweifelsfrei feststellbar wäre. In einem solchen Fall hat die Meldebehörde – wie oben dargestellt – auf den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners abzustellen. Im vorliegenden Fall liegt der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Klägers auf der Insel L..

24

Anhaltspunkte für den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen sind z.B. gesellschaftliche und politische Aktivitäten, familiäre Bindungen sowie Mitgliedschaften in Vereinen. Nach den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Nds. Meldegesetz – VwVNMG – in der Fassung des Runderlasses des MI vom 20. Mai 1998 (Nds. Ministerialblatt S. 957) ist in derartigen Fällen in der Regel die Erklärung des Einwohners als maßgebend anzusehen. Der Kläger hat diesbezüglich nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, nach Aufgabe seiner beruflichen Tätigkeit den Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen nach L. verlegt zu haben. Neben den bereits angesprochenen Umständen folgt dies auch daraus, dass er nach seinen Angaben die Mitgliedschaften in Vereinen in W. entweder gekündigt hat oder er dort lediglich passives Mitglied ist. Auch sein Freundes- und Bekanntenkreis bestehe überwiegend aus auf der Insel L. lebenden Personen.

25

Nach alldem erweisen sich die Bestimmung der Wohnung in L. als Nebenwohnung als fehlerhaft und damit der angefochtene Bescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid des Landkreises W. vom 16. Januar 2001 als rechtswidrig; sie sind aufzuheben.

 


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Quelle : Niedersachsen.de

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