Berlin (ots)
- DUH-Bundesgeschäftsführer Resch warnt die Spitzen von FDP, SPD und GRÜNE, die letzte außergerichtliche Chance zur Einhaltung des Bundesklimaschutzgesetzes scheitern zu lassen – Stopp des Neubaus von Bundesfernstraßen und Tempolimit 100/80/30 müssen im heutigen Koalitionsausschuss zum Verkehrssektor beschlossen und schnell umgesetzt werden, um eine Verurteilung der Bundesregierung abzuwenden
- Insgesamt fünf Klagen der DUH gegen die Verstöße der Bundesregierung gegen das Klimaschutzgesetz wurden bereits zwischen September 2020 und November 2022 eingereicht
- Nachdem die Bundesregierung ausreichend Gelegenheit hatte, zu den DUH-Klimaklagen Stellung zu nehmen, ist eine zeitnahe Verhandlung durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vorgesehen
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnt vor dem heutigen Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und FDP vor schmutzigen Deals auf Kosten des Klimas. Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband sieht dieses heutige Spitzentreffen als „letzte außergerichtliche Chance“ der Bundesregierung, eine Verurteilung durch das zuständige Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wegen des Verstoßes gegen das Bundesklimaschutzgesetz zu verhindern.
Nach Informationen der DUH strebt das OVG eine baldige Verhandlung der durch die DUH erhobenen Klimaschutzklagen gegen die Bundesregierung an. Der DUH wurde signalisiert, dass zeitnah eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist. Angesichts der Tatsache, dass selbst der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung die bislang vorgelegten Maßnahmen für absolut unzureichend hält, ist die DUH zuversichtlich, die Klimaschutz-Klagen gegen das unzureichende Klimaschutzprogramm und die rechtswidrigen Sofortprogramme Verkehr und Gebäude zu gewinnen. Nachdem nun auch der BUND eine weitere Klage gegen die Sofortprogramme Verkehr und Gebäude erhoben hat, erhöht dies nach Ansicht der DUH den politischen Druck, dass heute endlich „Nägel mit Köpfen“ im Klimaschutz gemacht werden und im Verkehrssektor der Stopp des Neu- und Ausbaus von Autobahnen und Bundesfernstraßen, die Einführung eines Tempolimits 100/80/30 sowie die Beendigung der Klimakiller-Dienstwagensubventionierung erfolgen.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Ich warne die Spitzenvertreter von GRÜNEN und SPD, heute erneut vor der Porsche-Partei FDP einzuknicken und die letzte Chance zu vergeigen, um eine Verurteilung vor Gericht zu verhindern. Uns bleibt für den Einstieg in wirkliche Klimaschutzmaßnahmen nur noch dieses Jahr. Dies ist ganz offensichtlich auch den Gerichten bewusst. Ein ‚Weiter so‘ kann es im Verkehrssektor nicht geben. Während in anderen europäischen Ländern Straßenneubau aus Klimaschutzgründen gestoppt wird, planen nach meinen Informationen sogar Spitzenpolitiker der Grünen einen schmutzigen Deal mit der FDP zum Bau neuer Autobahnen. Genauso wie das Bundesverfassungsgericht uns in den unterstützten Verfassungsbeschwerden zum Klimaschutz Recht gegeben hat, gehen wir für diesen Fall von einer klaren Entscheidung des Gerichts aus.“
Die Bundesregierung verfehlt die verpflichtenden Ziele des Bundesklimaschutzgesetzes in den Sektoren Verkehr und Gebäude. Daher hat die DUH bereits im April und September 2022 gegen die gesetzeswidrigen Klimaschutz-Sofortprogramme Klage erhoben. Im Verkehr droht bis 2030 eine Überschreitung der dort festgelegten CO2-Emissionen laut eigener Gutachten um unglaubliche mehr als 270 Millionen Tonnen. Das Sofortprogramm von Minister Wissing von Juli 2022 wurde vom eigenen Expertenrat als vollkommen unzureichend in der Luft zerrissen. Trotzdem drängt FDP-Verkehrsminister Wissing auf weitere Autobahnneubauten und deren Einordnung als Projekte von „überragendem öffentlichen Interesse“, was die Belange des Natur- und Klimaschutzes faktisch unter den Tisch fallen ließe. Laut Medienberichten könnten die Koalitionspartner SPD und GRÜNE dem heute zustimmen. Die laut GRÜNEN möglichen Vorhaben mit „vordringlichem Bedarf zur Engpassbeseitigung“ sind dabei sogar die Mehrzahl dieser aus Klimaschutzgründen unbedingt abzulehnenden Straßenbaumaßnahmen: So betrifft dies in Baden-Württemberg 7 von 11 Projekten mit vordringlichem Bedarf, in Bayern sind es 14 von 19.
Sollte den Parteien die Kraft fehlen, sich heute für ein gesetzeskonformes Klimaschutz-Sofortprogramm zu entscheiden, sagt die DUH bis zu den Klimaschutz-Gerichtsentscheidungen einen breiten öffentlichen Widerstand der Zivilgesellschaft voraus.
Hintergrund:
- Im September 2020 hatte die DUH vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ihre erste Klimaschutz-Sektorklage eingereicht, die die Aufstellung eines wirksamen Klimaschutzprogramms fordert, um die Einhaltung der verbindlichen Klimaschutzvorgaben für den Verkehrssektor sicherzustellen. Bis heute, über zwei Jahre nach Einreichung dieser ersten Klage, liegt ein solches Programm nicht vor.
- Im März 2021 erfolgte eine weitere Klimaschutz-Sektorklage, die die Aufstellung eines geeigneten Klimaschutzprogramms zur Einhaltung aller sektorübergreifenden Jahresemissionsmengen und damit die nationalen Treibhausgasemissionen bis zum Zieljahr 2030 im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent reduziert.
Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 wurde das Klimaschutzgesetz novelliert. Es sieht vor, dass bei einer Überschreitung der festgesetzten, sektorspezifischen Emissionshöchstmengen das jeweils zuständige Ministerium ein Sofortprogramm vorzulegen hat, dass die Einhaltung der Höchstmengen im Folgejahr sowie in den darauffolgenden Jahren sicherstellt. Das von Verkehrsminister Wissing im Juli 2022 vorgelegte Programm verfehlt jedoch diese Vorgaben um den Faktor 20: Statt 271 Millionen Tonnen CO2 zwischen 2022 und 2030 einzusparen, sind mit den darin aufgeführten Maßnahmen selbst nach Einschätzung der Bundesregierung bestenfalls etwa 13 Millionen Tonnen CO2 möglich. Sowohl der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung als auch der Wissenschaftliche Dienst der Bundesregierung hatten dies als unzureichend und rechtswidrig benannt.
- Daher hatte die DUH im September 2022 eine Klage zur Verabschiedung eines wirksamen und rechtskonformen Sofortprogramms für den Verkehrssektor beim OVG Berlin-Brandenburg eingereicht.
- Eine weitere Klage vom April 2022 zielt auf ein wirksames Sofortprogramm im Gebäudesektor ab, dessen Vorgaben im Jahr 2021 ebenfalls überschritten wurden.
- Im November 2022 wurden diese Klagen durch eine Klage auf ein rechtmäßiges Programm für den sogenannten LULUCF-Sektor nach § 3a des Klimaschutzgesetzes ergänzt.
Mit der Klimaschutz-Sektorklage für den Verkehrsbereich aus dem September 2022 möchte die DUH kurzfristig die Bundesregierung dazu zwingen, geeignete Einzelmaßnahmen umzusetzen, die das Erreichen der Einsparung von 271 Millionen Tonnen CO2 sicherstellen. Als wirkungsvollstes und wichtigstes Instrument die Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen und Tempo 80 auf allen Außerorts-Strassen. Zuletzt hatte das Umweltbundesamt das von uns errechnete Einsparpotential von 9,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr mehr als bestätigt.
Links:
Die einzelnen Klimaklagen der DUH sowie die entsprechenden Dokumente finden Sie hier in wenigen Minuten: https://l.duh.de/p230126
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