Köln. (ots)
Der frühere Bundesinnenminister und FDP-Politiker Gerhart Baum sieht die AfD als größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland seit 1949. „In meiner Jugend waren eine Menge dieser Leute aus der Nazi-Zeit noch da, die sie verdrängen und vergessen machen wollten. Allein dadurch, dass wir uns der Vergangenheit gestellt haben, konnten wir eine erfolgreiche Demokratie aufbauen. Wenn ich dann heute einen Björn Höcke sehe, einen Mann, der offen verfassungsfeindliche Ziele vertritt, weiß ich: Sie sind wieder da. Und wir müssen uns wieder wehren“, sagte der 90 Jahre alte Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Freitagausgabe).
Als Beispiele für verfassungswidrige Positionen der AfD nannte Baum die Haltung der Partei zur Europäischen Union und die „Frontalangriffe“ auf die Kunstfreiheit. In den Kommunalparlamenten wolle die AfD die Kulturetats an „völkische“ Zielsetzungen knüpfen. „Sie steuert wieder auf Kategorien wie eine ‚entartete Kunst‘ zu, die dem ‚gesunden Volksempfinden‘ nicht zumutbar sei. Auch das verstößt gegen die Verfassung. Von der rassistischen Ausgrenzung von Menschen, die nicht unter einen völkischen Begriff des Staatsvolks fallen, ganz zu schweigen. Das ist ein fundamentaler Angriff auf den Wesenskern der Menschenwürde, sagt das Bundesverfassungsgericht – und wäre die Basis für ein Verbotsfahren“. Ein solches befürwortet Baum aber nicht. „Weil es jetzt so aussähe, als wollten die anderen Parteien sich missliebiger Konkurrenz entledigen. Den Schritt hätte man – wenn überhaupt – früher gehen müssen.“
Anstelle einer „leichtfertigen“ Verharmlosung des Rückhalts für die AfD als „Spielart der schlechten Laune“ erwarte er von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „endlich eine klare Ansage“: Die „Zeitenwende“ finde nicht nur außenpolitisch statt. „Wir sind auch im Inneren bedroht – von Feinden der Demokratie und der Verfassung.“ Wer bereit sei, eine „Partei von Neonazis“ zu wählen, der schwäche bewusst die Demokratie, so Baum. Der Union und dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz warf der Liberale vor, zur Verunsicherung beizutragen. „Eine Partei, die – als einzige von Bedeutung – den demokratischen Konsens verlassen hat, darf man gedanklich nicht zurückholen, wie Merz das fatalerweise gemacht hat. Nicht einmal ansatzweise!“ Der Union fehle ein schlüssiges politisches Konzept. „Sie weiß nicht, was sie will – und Merz irritiert.“
Den Spitzenpolitikern der Ampel-Koalition fehlt es nach Baums Worten angesichts der Vielzahl von Krisen und der Sorgen der Menschen „an Empathie, an dem Wärmestrom, den die Menschen jetzt bräuchten. Die sind – angefangen bei meinem Parteivorsitzenden Christian Lindner – alle so rational und kühl.“ In der Sache sei das gar nicht schlecht. „Aber es bräuchte jetzt Spitzenpolitiker, die den Menschen auch das Gefühl vermitteln: Die verstehen uns. Bei denen finden wir uns wieder, sind gut aufgehoben.“
Das Interview auf ksta.de im Wortlaut:
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