Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 4. Senat | 4 L 3636/00 | Urteil | Ausbildungsgeld für Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich

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OVG Lüneburg 4. Senat,
Urteil vom
14.03.2001, 4 L 3636/00, ECLI:DE:OVGNI:2001:0314.4L3636.00.0A

§ 43 Abs 1 S 2 BSHG, § 85 Abs 1 Nr 1 BSHG, § 85 Abs 1 Nr 3 S 2 BSHG, § 102 Abs 2 Nr 2 SGB 3, § 104 Abs 1 Nr 2 SGB 3, § 107 SGB 3

Verfahrensgang

vorgehend VG Hannover, 26. Juli 2000, Az: 3 A 4115/98

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung seines Ausbildungsgeldes als Kostenbeitrag zu der ihm gewährten Eingliederungshilfe.

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Der am 31. Januar 1977 geborene Kläger ist geistig behindert und wird in einem Wohnheim betreut. Die Kosten der stationären Betreuung trägt die Beklagte im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte nach dem Bundessozialhilfegesetz. Der Kläger war im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt. Für diese Tätigkeit erhielt er ein Ausbildungsgeld von monatlich 120,– DM.

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Die Beklagte forderte von dem Kläger mit Bescheid vom 15. September 1997 einen Kostenbeitrag in voller Höhe des Ausbildungsgeldes abzüglich eines zusätzlichen Barbetrages von 6,– DM monatlich.

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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend: Der Sozialhilfeträger sei lediglich berechtigt, einen Kostenbeitrag in „angemessenem Umfang“ zu verlangen. Die Ermittlung des angemessenen Umfanges setze eine Ermessensbetätigung voraus und ermögliche die Freilassung eines Teilbetrages des Ausbildungsgeldes. Ihm für die Teilnahme an der Ausbildung nur 6,– DM zu belassen, sei nicht angemessen.

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Den Widerspruch wies das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben mit Bescheid vom 5. Mai 1998 zurück und führte aus:

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Bei dem gewährten Ausbildungsgeld handele es sich um Einkommen, das gemäß §§ 79, 81 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) unter der Einkommensgrenze liege. Nach § 85 BSHG könne die Aufbringung der Mittel für die Gewährung der Hilfe in dem Wohnheim von dem Kläger auch aus unter der Einkommensgrenze liegendem Einkommen verlangt werden. Der Umfang der Heranziehung richte sich nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG. Danach könne die Aufbringung der Mittel verlangt werden, soweit von einem anderen Leistungen für einen besonderen Zweck gewährt werden, für den sonst Sozialhilfe zu gewähren wäre. Bei dem Ausbildungsgeld handele es sich um eine Leistung der Arbeitsverwaltung, die unabhängig von einer Arbeitsleistung während der Durchführung der teilstationären Betreuungsmaßnahme zur beruflichen Eingliederung zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes gewährt werde. Das Ausbildungsgeld sei ausschließlich eine Leistung zum Lebensunterhalt. Da im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe in stationärer Form der gesamte Lebensbedarf einschließlich Barbetrag durch den Träger der Sozialhilfe sichergestellt werde, handele es sich bei dem Ausbildungsgeld um eine zweckbestimmte Leistung im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG. Die Heranziehung des Ausbildungsgeldes in vollem Umfang sei gerechtfertigt, da es sich bei diesem Einkommen des Klägers nicht um Einkommen aus einer entgeltlichen Beschäftigung gemäß § 85 Abs. 2 BSHG handele.

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Mit seiner Klage hat der Kläger vorgetragen: Ihn zum Einsatz des Ausbildungsgeldes in vollem Umfang heranzuziehen, sei nicht angemessen im Sinne von § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG. Diese Vorschrift müsse hier Anwendung finden. Ihm müsse dabei ein Freibetrag zur Schaffung eines Arbeitsanreizes verbleiben. Das Ausbildungsgeld sei dagegen keine Leistung für einen besonderen Zweck im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, für den sonst Sozialhilfe zu gewähren wäre. Der besondere Zweck der Leistung der Bundesanstalt für Arbeit bestehe in der Unterstützung während der Dauer des Arbeitstrainings, während die vom Beklagten gewährte Eingliederungshilfe keine Leistung sei, die das Ausbildungsgeld ersetzen könnte. Es fehle an der Zweckidentität zwischen dem Ausbildungsgeld und der Eingliederungshilfe.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 15. September 1997 sowie den Widerspruchsbescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 5. Mai 1998 aufzuheben.

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Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt, ist in der Sache dem Begehren des Klägers aber entgegen getreten.

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Mit Urteil vom 26. Juli 2000 hat das Verwaltungsgericht Hannover der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen von § 85 Abs. 1 Nr.1 BSHG seien nicht gegeben, weil das Ausbildungsgeld und die Eingliederungshilfe nicht zweckidentisch seien. Eine Heranziehung sei folglich nur in angemessenem Umfang nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG möglich. Dies erlaube aber nicht die volle Inanspruchnahme des Ausbildungsgeldes. Dem Kläger müssten mindestens 50 % verbleiben, um die Motivation für die Teilnahme an der Maßnahme aufrecht zu erhalten.

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Gegen das ihr am 1. August 2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 22. August 2000 eingegangenem Schriftsatz die Zulassung der Berufung beantragt. Mit der durch Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2000 zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: Das Ausbildungsgeld sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Urteil zweckgleich im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG. Auch über § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG könne sie aber den Einsatz des Ausbildungsgeldes in voller Höhe verlangen. Eine Freilassung komme insofern nur in Betracht, wenn besondere Umstände vorlägen, die hier nicht ersichtlich seien.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 26. Juli 2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er hält die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Urteil für zutreffend.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt erfolglos.

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Zu Recht hat das Verwaltungsgericht das dem Kläger gewährte Ausbildungsgeld nicht als Einkommen aufgrund einer entgeltlichen Beschäftigung gemäß § 85 Abs. 2 BSHG angesehen. Das Ausbildungsgeld nach den §§ 104, 107 SGB  III ist kein Entgelt für eine Arbeitsleistung, sondern eine Sozialleistung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften für die Teilnahme an einer Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte. Die Freilassung eines Freibetrages kommt daher in untermittelbarer Anwendung des § 85 Abs. 2 BSHG nicht in Betracht (vgl. für das Übergangsgeld: BVerwG, Urt. v. 12.19.1995 – 5 C 27.93 -, FEVS 46, 309 ff.).

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Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG nicht anzuwenden ist, da die Voraussetzungen dieser Norm nicht vorliegen. Vielmehr ist § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG die einschlägige Vorschrift, auf die hier abzustellen ist. Der erkennende Senat schließt sich hierzu den folgenden Ausführungen des 12. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts im Urteil vom 22. Februar 2001 (Az. 12 L 3923/00) an:

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„Nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG kann die Aufbringung von Mitteln unter der Einkommensgrenze verlangt werden, soweit von einem anderen Leistungen für einen besonderen Zweck gewährt werden, für den sonst Sozialhilfe zu gewähren wäre. § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG setzt somit Zweckidentität der Leistungen voraus, die hier nicht gegeben ist. Das Ausbildungsgeld ist eine Leistung für einen besonderen Zweck (vgl. dazu Krahmer in LPK-BSHG, 5. Aufl., § 85 RdNr. 3; Schellhorn/ Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl., § 85 RdNr. 8). Nach § 102 Abs. 2 Nr. 2 SGB III werden Leistungen für die Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich in anerkannten Werkstätten für Behinderte erbracht, um die Leistungsfähigkeit oder Erwerbsfähigkeit des Behinderten so weit wie möglich zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen, wenn erwartet werden kann, dass der Behinderte nach Teilnahme an diesen Maßnahmen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 54 des Schwerbehindertengesetzes zu erbringen. Die besondere Zweckbestimmung der Gewährung von Ausbildungsgeld liegt gerade darin, dass es für die Teilnahme des Behinderten an der Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich in einer Werkstatt für Behinderte geleistet wird.

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Das Bundesverwaltungsgericht hat auch für das insoweit vergleichbare Übergangsgeld und das Unterhaltsgeld die konkrete Zweckbestimmung der Sozialleistung in der Teilnahme an einer berufsfördernden Maßnahme gesehen (BVerwG, Urt. v. 19.12.1995 – 5 C 27.93 -, FEVS 46, 309, 311; BVerwG, Urt. v. 21.7.1994 – 5 C 32.91 -, BVerwGE 96, 246, 249). Ausbildungsgeld wird danach nicht für einen Zweck geleistet, für den sonst Sozialhilfe zu gewähren wäre, denn für die Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich würden keine Leistungen nach dem BSHG gezahlt werden (vgl. Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., § 85 RdNr. 13; Brühl, in: ZfF 1999, 105 ff.). Das Ausbildungsgeld ist seinem Charakter nach keine Leistung zur Bestreitung des Lebensunterhalts, ihm kommt eher die Funktion einer Arbeitstrainingsprämie („Belohnung“) zu (Lauterbach in Gagel, SGB III – Arbeitsförderung – Kommentar, Stand 2000, § 104 RdNr. 4, § 107 RdNr. 4). So hat das Bundessozialgericht in einer Entscheidung vom 26. September 1990 (- 9b/7 RAr 100/89 -, FEVS 41, 468, 472) auch ausgeführt, dass das Ausbildungsgeld nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) die für den persönlichen Bedarf frei verfügbaren Mittel erhöhen und dadurch die Motivation für (die) Berufsausbildungsmaßnahme fördern solle.“

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Der erkennende Senat folgt auch den weiteren Ausführungen des 12. Senats in dem benannten Urteil zu der Frage, dass eine Heranziehung „in angemessenem Umfang“ den Einsatz des gesamten Ausbildungsgeldes nicht zulässt:

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„Der Einsatz des Ausbildungsgeldes kann nur auf § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift soll in angemessenem Umfang die Aufbringung der Mittel verlangt werden von Personen, die auf voraussichtlich längere Zeit der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung bedürfen, solange sie nicht einen anderen überwiegend unterhalten. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG, so dass er in angemessenem Umfang zu einem Kostenbeitrag herangezogen werden soll. Allerdings entspricht die Forderung des Beklagten, der Kläger habe das gesamte Ausbildungsgeld einzusetzen, nicht einer Heranziehung „in angemessenem Umfang“. Der Senat hält es für angemessen in diesem Sinne, wenn dem Kläger die Hälfte des ihm gewährten Ausbildungsgeldes neben dem nach § 21 Abs. 3 Satz 4 BSHG erhöhten Barbetrag in Höhe von 5 % seines Einkommens zur Erhaltung der Motivation für die Berufsausbildungsmaßnahme verbleibt.

26

Der Begriff „in angemessenem Umfang“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Behörde keinen Beurteilungsspielraum einräumt, vielmehr der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Dabei ist der Senat auch nicht an die Regelungen im Runderlass des Sozialministeriums vom 7. April 1998 (Nds. MBl. S. 674) gebunden. Bei der Prüfung, in welchem Umfang die Aufbringung der Mittel angemessen ist, sind vor allem die Art des Bedarfs, die Dauer und die Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen des Hilfeempfängers zu berücksichtigen. Das ergibt sich aus den in § 84 Abs. 1 Satz 2 BSHG genannten Angemessenheitskriterien (BVerwG, Urt. v. 26.10.1089 – 5 C 30.86 -, FEVS 39, 93; Urt. v. 6.4.1995 – 5 C 5.93 -, FEVS 46, 45).

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Zu beachten ist bei der Auslegung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG ferner, dass die Regelung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG den in § 2 BSHG allgemein beschriebenen Nachrang der Sozialhilfe konkretisiert. Der Hilfesuchende soll nach Maßgabe des Gesetzes zunächst sein eigenes Einkommen und Vermögen einsetzen, bevor er Sozialhilfe in Anspruch nimmt. Dies gilt auch für den in § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG erfassten Personenkreis, denn Nr. 3 verfolgt gerade das Anliegen, dem Hilfesuchenden keinen wirtschaftlichen Vorteil daraus erwachsen zu lassen, dass er auf Kosten der Allgemeinheit in einer seinen Lebensunterhalt und seine umfassende Betreuung sicherstellenden Weise untergebracht ist (BVerwG, Urt. v. 6.4.1995 – 5 C 5.93 -, FEVS 46, 45).

28

Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „in angemessenem Umfang“ ist zudem die Aufgabe der Sozialhilfe zu berücksichtigen, dem Hilfeempfänger die Möglichkeit zu geben, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht und ihn soweit wie möglich zu befähigen, unabhängig von Sozialhilfe zu leben und ihn dazu anzuspornen (§ 1 Abs. 2 BSHG). Art, Form und Maß der Sozialhilfe haben sich gemäß § 3 Abs. 1 BSHG nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu richten, vor allem nach der Person des Hilfeempfängers, der Art seines Bedarfs und den örtlichen Verhältnissen. Diesen Grundsätzen wird bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes „in angemessenem Umfang“ Rechnung getragen, wenn der Umfang des Einsatzes des Einkommens unter der Einkommensgrenze mit den in § 1 Abs. 2 BSHG beschriebenen Aufgaben der Sozialhilfe im Rahmen der gewährten Eingliederungshilfe in diesem Einzelfall vereinbar ist.

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Der Einsatz des Einkommens in angemessenem Umfang schließt es hier aber aus, dass der Einsatz des gesamten Ausbildungsgeldes von dem Beklagten beansprucht werden kann. Das würde dem Ziel der Sozialhilfe als Hilfe zur Selbsthilfe zuwiderlaufen, denn dadurch könnte das Selbsthilfestreben des Klägers gelähmt werden und der Kläger könnte sogar veranlasst werden, das Arbeitstraining abzubrechen. Das Ausbildungsgeld wird dem Kläger nur gewährt, wenn und solange er am Arbeitstraining teilnimmt.

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Eine Heranziehung „in angemessenem Umfang“ ist deshalb nur dann gegeben, wenn die Motivation des Klägers aufrechterhalten bleibt an der Maßnahme Arbeitstraining weiter teilzunehmen und er dadurch zur Arbeitsleistung angespornt wird. Ihrem Charakter nach handelt es sich bei den Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich um berufsvorbereitende Maßnahmen (Lauterbach, in: Gagel, SGB III – Arbeitsförderung – Kommentar, Stand 2000, § 102 RdNr. 28). Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit des Behinderten so zu entwickeln, dass er danach ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen und später in den Arbeitsbereich einer Werkstatt für Behinderte aufgenommen werden kann. Diese Anreizfunktion, den Arbeitswillen und die Arbeitsbereitschaft des Behinderten zu fördern und zu erhalten ist erst dann erfüllt, wenn dem Kläger von dem Ausbildungsgeld ein bedeutender Teilbetrag verbleibt, der ihm zusätzlich zu dem Barbetrag nach § 21 Abs. 3 BSHG zur Verfügung steht und dadurch die Motivation für die Berufsausbildungsnahme fördert (vgl. BSG, Urt. v. 26.9.1990 – 9 b/7 RAr 100/89 -, FEVS 41, 468, 472). Bei einer vollen Inanspruchnahme verlöre das Ausbildungsgeld diese Funktion gänzlich. Erst wenn man ihm einen Teilbetrag des Ausbildungsgeldes belässt, besteht für den Kläger ein beachtlicher finanzieller Anreiz, an der berufsfördernden Maßnahme weiterhin teilzunehmen. Zugleich wird die Bereitschaft erhöht, sich in absehbarer Zeit auf Dauer beruflich eingliedern zu lassen. Die zusätzlichen finanziellen Mittel in Höhe der Hälfte des Ausbildungsgeldes reichen auch aus, den Kläger zu motivieren, sich durch die Teilnahme am Arbeitstraining auf eine künftige, auch qualifiziertere Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte vorzubereiten und ein höheres Arbeitseinkommen zu erzielen.

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Der Kläger hat während der Teilnahme an der Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich zwar einen erhöhten Barbetrag in Höhe von 5 % des Einkommens nach § 21 Abs. 3 Satz 4 BSHG erhalten, der sich auf 5,– DM monatlich beläuft. Dabei handelt es sich jedoch um einen so geringen, kaum spürbaren Betrag, der allein nicht tauglich ist, die Motivation des Klägers für die Berufsbildungsmaßnahme zu fördern und den Arbeitswillen zu erhalten. Beließe man es ausschließlich bei dem erhöhten Barbetrag, so bestände die Gefahr, dass der Kläger ohne den zusätzlichen finanziellen Anreiz und der damit einhergehenden Belohnung seines Arbeitseinsatzes die Maßnahme vorzeitig abbrechen könnte.

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Auch die Chance, durch die Teilnahme an dem Arbeitstraining Zugang zu einer Beschäftigung mit Arbeitseinkommen zu finden, ist ebenfalls für sich gesehen nicht geeignet, die Motivation des Klägers in gleichem Maße zu fördern. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Arbeitstraining für den Behinderten aufgrund der veränderten Anforderungen, die an ihn gestellt werden, auch eine Belastung darstellt. Er wird um so eher geneigt sein, diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden, wenn ihm dafür auch ein merklicher finanzieller Anreiz gewährt wird.“

33

Der vorliegende Fall ist nicht anders zu beurteilen.

34

Der Kläger wird, wenn ihm ein Teilbetrag belassen bleibt, auch nicht besser gestellt als jemand, der in einer Werkstatt für Behinderte arbeitet und damit einer entgeltlichen Beschäftigung nachgeht und ein Arbeitseinkommen erhält. Für diesen Fall sieht § 85 Abs. 2 BSHG einen näher geregelten Einkommensfreibetrag vor, der bei einem Arbeitseinkommen aus entgeltlicher Beschäftigung in Höhe von 120,– DM nach Abzug der Arbeitsmittelpauschale von 10,– DM bei 79,06 DM läge.

35

Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide folglich zu Recht aufgehoben. Der Beklagte wird, wenn er den Kläger erneut zu einem Kostenbeitrag heranziehen will, berücksichtigen müssen, dass dem Kläger mindestens 50% des Ausbildungsgeldes verbleiben.

 


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Quelle : Niedersachsen.de

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