Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Braunschweig 1. Kammer | 1 A 104/21 | Urteil | Zu den Auswirkungen des Brexit auf die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen für ein Pflanzenschutzmittel, die von Großbritannien erteilt worden sind

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Bei Erlass des Zulassungsbescheides vom 30. Juni 2021, dessen Geltungsdauer mit Bescheid vom 10. November 2021 verlängert worden ist, war Großbritannien nicht mehr Mitgliedstaat der Europäischen Union. Die Erteilung der Zulassung ist auch nicht in Anwendung unmittelbar geltenden Gemeinschaftsrechts erfolgt. Der Bescheid vom 30. Juni 2021 verweist zwar ebenso wie der Änderungsbescheid vom 10. November 2021 auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. In den erläuternden Anmerkungen (Explanatory Notes) wird aber klargestellt, dass die Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in Bezug auf Großbritannien (nur in dem Umfang) auf die Verordnung verweist, soweit sie für Großbritannien Wirkung entfaltet (vgl. jeweils Ziff. 5 S. 1 und 2 der Explanatory Notes der Bescheide vom 30.6.2021 und vom 10.11.2021: „In this notice Regulation [EC] No 1107/2009 means: In relation to Great Britain, Regulation [EC] No 1107/2009 as it has effect in Great Britain“). Ein solcher Hinweis findet sich in dem grundlegenden Zulassungsbescheid Großbritanniens vom 28. Juni 2016 nicht. Hintergrund ist, dass die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Großbritannien seit dem 1. Januar 2021 nach einem eigenständigen regulatorischen Regime erfolgt. In seinem Internetauftritt führt die britische Zulassungsbehörde HSE aus, dass ab dem 1. Januar 2021 in Großbritannien (England, Schottland und Wales) ein unabhängiges Regulierungssystem für Pflanzenschutzmittel gilt („From 1 January 2021, an independent pesticides regulatory regime is in operation in Great Britain [England, Scotland and Wales]“; abzurufen im Internet unter https://www.hse.gov.uk/pesticides/brexit.htm; Anlage K5 der Gerichtsakte). Neue Entscheidungen, die im Rahmen des Regelwerks der Europäischen Union getroffen werden, gelten danach nicht in Großbritannien. Dazu gehören Entscheidungen zu Wirkstoffen und Rückstandshöchstgehalten und alle neuen EU-Rechtsvorschriften für Pflanzenschutzmittel („New decisions taken under the EU regime will not apply in Great Britain. This includes active substances and maximum residue level [MRL] decisions and any new EU plant protection product [PPP] legislation.“). Zu den Änderungen der Gesetzgebung („Changes to legislation“) weist die britische Zulassungsbehörde darauf hin, dass das gesamte einschlägige EU-Recht in Bezug auf die Regulierung von Pflanzenschutzmitteln in das britische Recht übernommen worden sei bzw. im britischen Recht beibehalten wird und die gleichen amtlichen Titel behalte, z. B. Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 („All relevant EU law in relation to the regulation of plant protection products has been retained in GB law and retains the same offical titles, for example, Regulation [EC] 1107/2009“). Die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfolgt dementsprechend in Großbritannien ausschließlich als Bestandteil des nationalen Rechts und nicht kraft unmittelbarer Geltung. Soweit die Klägerin einen Vergleich zu europäischen Richtlinien zieht, die in den Mitgliedstaaten der EU ebenfalls nicht unmittelbar gelten, sondern der Umsetzung in das nationale Recht bedürfen, trägt dieser Vergleich nicht. Denn im Gegensatz zu europäischen Richtlinien, welche jedenfalls die Mitgliedstaaten der EU hinsichtlich des zu erreichenden Ziels binden (siehe Art. 288 Abs. 3 AEUV) und nach Ablauf der Umsetzungsfrist unter Umständen sogar unmittelbar anwendbar sein können, besteht nach dem Austritt aus der EU keinerlei Bindung Großbritanniens an das europäische Recht betreffend die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln mehr. Abweichungen sind nach nationalen Maßgaben jederzeit möglich und rechtlich zulässig. Dies kommt auch in dem Hinweis der britischen Zulassungsbehörde zum Ausdruck, dass neue Entscheidungen und Rechtsvorschriften der EU in Großbritannien nicht zur Geltung kommen, womit zugleich deutlich wird, dass die Gewähr für die Erteilung der Referenzzulassung nach einheitlichen, harmonisierten europäischen Maßgaben unter diesen Bedingungen nicht mehr gegeben ist. Diese Gewähr bildet jedoch die Grundlage für das System der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen unter den Mitgliedstaaten der EU.

Quelle : Niedersachsen.de

Bilder: Titel Symbolbilder Niedersachsen by Pixabay.com / Niedersachsen.de

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