Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Göttingen 3. Kammer | 3 A 11/20 | Urteil | Politische Verfolgung in Ruanda wegen zugeschriebener oppositioneller Tätigkeit

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Personen, deren Ansichten von den ruandischen Behörden als Kritik an der Regierungspartei, der Regierung oder ihrer Politik eingestuft werden, müssen mit Schikanen, Einschüchterung, strafrechtlicher Verfolgung und langen Gefängnisstrafen rechnen (Dr. Bognitz, Gutachten „Politische und staatliche Verfolgung rwandischer Dissidenten, Oppositioneller und Regierungskritiker im In- und Ausland als Ursache von Flucht und Migration seit 2010“, im Folgenden: Gutachten vom 9.2.2022, S. 6; Amnesty International, Ruanda 2019, Report vom 16.4.2020, S. 4; Dr. Hankel, Stellungahme an das VG Oldenburg vom 10.8.2013, S. 3 und an das VG Hannover vom 23.7.2018). Strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen werden unter anderem durch das gesetzliche Verbot von Hassreden und das Gesetz zur Ahndung der Leugnung des Genozids legitimiert, wobei sich nahezu jeglicher regierungskritische Widerstand als Verharmlosung des Genozids auslegen lässt (Dr. Bognitz, Gutachten vom 9.2.2022, S. 3 und S. 9). In der jüngeren Vergangenheit wurden vornehmlich Social Media Beiträge von jungen Aktivistinnen und Aktivisten wie Yvonne Idamange und Aimable Karasira unter Bezugnahme auf das Gesetz zur Ahndung der Leugnung des Genozids geahndet (Dr. Bognitz, Gutachten vom 9.2.2022, S. 8). Am 11. November 2021 wurde der bekannte Youtuber Dieudonné Niyonsenga unter dem Vorwurf von Fälschung, Identitätsdiebstahl und weiteren Straftaten zu sieben Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Seine Videos sind bekannt für die Anprangerung begangener Menschenrechtsverletzungen. So veröffentlichte Niyonsenga im April 2020 mehrere Videos, in denen er ruandischen Soldaten vorwarf, Menschen, die in Elendsvierteln lebten, im Zuge der Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie misshandelt zu haben (Bundesamt für Migration und Fremdenwesen, Briefing Notes vom 15.11.2021, S. 14). Am 30. September 2021 wurde die Youtuberin Yvonne Idamange zu 15 Jahren Haft und zu einer Geldstrafe von 2.000 USD verurteilt. Das Gericht befand sie in sechs Anklagepunkten für schuldig, darunter Anstiftung zu Gewalt und öffentlichen Aufständen, Verunglimpfung von Völkermordmahnmalen sowie Verbreitung von Gerüchten. Idamange warf auf ihrem Youtube-Kanal dem Präsidenten vor, eine Diktatur errichtet zu haben, den Völkermord von 1994 zu instrumentalisieren und den Opfern nicht ausreichend zu helfen sowie die entsprechenden Gedenkstätten zu Touristenattraktionen umzuformen (Bundesamt für Migration und Fremdenwesen, Briefing Notes vom 4.10.2021, S. 11). Laut Human Rights Watch haben die ruandischen Behörden im Jahr 2020 mindestens acht Personen bedroht, verhaftet oder strafrechtlich verfolgt, die auf YouTube über aktuelle Themen berichteten oder diese kommentierten (HRW, Rwanda: Arrests, Prosecutions over YouTube Posts, 30.3.2021). Anhand der dokumentierten Fälle der Verfolgung bzw. Verurteilung von Oppositionellen und Regierungskritikern zeigt sich, dass bereits niedrigschwellige Kritik oder das bloße Aufzeigen von Problemstellungen und Herausforderungen innerhalb des Landes durch ein unverhältnismäßig hohes Strafmaß geahndet werden (Dr. Bognitz, Gutachten vom 9.2.2022, S. 14).

Quelle : Niedersachsen.de

Bilder: Titel Symbolbilder Niedersachsen by Pixabay.com / Niedersachsen.de

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