
§ 2 Abs. 2 BauGB lässt sich nicht entnehmen, dass eine Planung, die durch Auswirkungen gewichtiger Art gekennzeichnet ist, bereits aus diesem Grund zugleich gegen das Abwägungsgebot verstößt, wenn sie nicht in Koordination mit der benachbarten Gemeinde erfolgt. Die Vorschrift bezweckt nicht, einer Gemeinde die Möglichkeit zu eröffnen, die Planungen der Nachbargemeinde zu unterbinden, sondern räumt ihr nur das Recht ein, dass ihre Interessen im Rahmen der Bauleitplanung berücksichtigt werden (OVG E-Stadt, Urt. v. 20.08.2019 – 2 E 6/18.N -, Rn. 24, juris). Die Nachbargemeinde wird daher erst in ihren Rechten verletzt, wenn die planende Gemeinde ihre materielle Abstimmungspflicht nach § 2 Abs. 2 BauGB zum Nachteil der Nachbargemeinde durch einen relevanten Verstoß gegen das Abwägungsgebot missachtet hat. Die Gemeinde, die ihre eigenen Vorstellungen selbst um den Preis von gewichtigen Auswirkungen für die Nachbargemeinde durchsetzen möchte, unterliegt insofern bei ihrer Planung einem erhöhten Rechtfertigungszwang. Es gilt aber, dass selbst gewichtige Belange im Wege der Abwägung überwunden werden dürfen, wenn noch gewichtigere ihnen im Rang vorgehen. Maßgebend bleibt die Reichweite der Auswirkungen im Einzelfall. Rein wettbewerbliche bzw. wirtschaftliche Auswirkungen reichen für eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes nicht aus. Dieses schützt nicht den in der Nachbargemeinde vorhandenen Einzelhandel vor Konkurrenz, sondern nur die Nachbargemeinde als Selbstverwaltungskörperschaft und Trägerin eigener Planungshoheit. Die befürchteten Auswirkungen müssen sich gerade auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung in einer Nachbargemeinde beziehen (OVG Lüneburg, Urt. v. 15.03.2012 – 1 KN 152/10 -, Rn. 254, juris; OVG B-Stadt, Beschl. v. 28.10.2011 – 2 B 1049/11 -, Rn. 35, juris, m.w.N.; VG Karlsruhe, Beschl. v. 06.03.2020 – 12 K 5237/19 -, Rn. 31, juris; VG Würzburg, Urt. v. 19.07.2018 – W 5 K 16.931 -, Rn. 58, juris). Mängel im Rahmen dieser Abwägung sind gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB nur insoweit erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Die abstrakte Möglichkeit, dass ohne den Fehler anders geplant worden wäre, genügt nicht (OVG Weimar, Beschl. v. 20.12.2004 – 1 EO 1077/04 -, Rn. 46, 54, juris). § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB ist zwar lediglich für die Aufstellung eines Bebauungsplans maßgeblich, muss in der hiesigen Situation auch für die Baugenehmigung in den Blick genommen werden, damit der Maßstab bei der Anwendung des § 2 Abs. 2 BauGB nicht zwischen Bauleitplanung und Baugenehmigung auseinanderfällt.
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