Art. 4 GRCh verbietet ausnahmslos jede Form unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und hat mit seiner fundamentalen Bedeutung allgemeinen und absoluten Charakter (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 – C-163/17 –, juris Rn. 78). Daher ist hinsichtlich in einem Mitgliedsstaat schutzsuchender Personen für die Anwendung von Art. 4 GRCh irrelevant, wann diese bei ihrer Rücküberstellung in den für ihr Asylverfahren zuständigen Mitgliedsstaat bzw. den Mitgliedsstaat, der ihnen bereits internationalen Schutz gewährt hat, einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wären, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren. Die Gewährleistung von Art. 4 GRCh gilt auch nach dem Abschluss des Asylverfahrens, insbesondere auch im Fall der Zuerkennung internationalen Schutzes (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 – C-163/17 –, juris Rn. 88 f.; BVerfG, Beschluss vom 7.10.2019 – 2 BvR 721/19 –, juris Rn. 19 f.). Hat ein Schutzsuchender oder eine als schutzberechtigt anerkannte Person hinreichend dargelegt, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ihm nach einer Rücküberstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, ist das mit der Rechtssache befasste Gericht – wie auch zuvor die mit der Sache befassten Behörden – verpflichtet, die aktuelle Sachlage aufzuklären und die deutschen Behörden haben gegebenenfalls Zusicherungen der Behörden des zuständigen Mitgliedsstaates einzuholen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 –, juris 15 f. und 18 f.). Das Gericht hat auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 – C-163/17 –, juris Rn. 90). Solche Schwachstellen erreichen allerdings erst dann die für Art. 4 GRCh bzw. für den ihm entsprechenden Art. 3 EMRK besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 – C-163/17 –, juris Rn. 91 f.). Dies ist im Allgemeinen insbesondere der Fall, wenn die rückzuüberstellende Person in dem zuständigen Mitgliedstaat ihren existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basis- bzw. Notbehandlung erhalten würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.7.2019 – BVerwG 1 C 45.18 –, juris Rn. 12).
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