Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Lüneburg 4. Kammer | 4 A 285/01 | Urteil | Abschiebungsandrohung für Roma nach Restjugoslawien

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Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden, reicht dabei nicht aus, um eine Gefahr in diesem Sinne zu begründen. Vielmehr ist erforderlich, dass eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit besteht (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 – BVerwG 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324). Eine derartige, der Klägerin individuelle drohende Gefährdung ist hier nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht geltend gemacht. Sie beruft sich vielmehr darauf, dass sie wie die übrigen Angehörigen ihrer Volksgruppe in der Bundesrepublik Jugoslawien allgemein diskriminiert sei. Allgemeine Gefahren, von denen eine ganze Bevölkerungsgruppe oder die gesamte Bevölkerung betroffen sind, stellen grundsätzlich keine Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG dar. Sie sind nach § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG allein von der obersten Landesbehörde im Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnis nach § 54 AuslG zu berücksichtigen. Nur dann, wenn dem einzelnen Ausländer keine Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1, 2, 3, 4 und 6 Satz 1 AuslG zustehen, er aber gleichwohl ohne Verletzung höherrangigen Verfassungsrechts nicht abgeschoben werden darf, ist bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG im Einzelfall Schutz vor der Durchführung der Abschiebung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren. Das ist der Fall, wenn die obersten Landesbehörden trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, von ihrer Ermessensermächtigung aus § 54 AuslG keinen Gebrauch gemacht haben, einen generellen Abschiebestopp zu verfügen. Soweit der Abschiebung nicht anderweitige Hindernisse wie z.B. ein ausländerrechtlicher Erlass entgegenstehen, die einen gleichwertigen Schutz bieten, gebieten es dann die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz zu gewähren. In solchen Fällen ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass derartige extreme Gefahren im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu berücksichtigen sind (zum Vorst: BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 – 9 C 9.95 – BVerwGE 99, 324; Urteil vom 2.9.1997 – BVerwG 9 C 40.96 -, BVerwGE 105, 187,  Urt. v. 12.7.2001 – 1 C 2.01 -).  Hier bieten die dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel bereits keine Anhaltspunkte für die Annahme, für Angehörige der Roma bestehe in Restjugoslawien eine extreme Gefahr in dem Sinne, dass sie dort im Falle ihrer Rückkehr den Tod oder schwerste Verletzungen sicher befürchten müssten.

Quelle : Niedersachsen.de

Bilder: Titel Symbolbilder Niedersachsen by Pixabay.com / Niedersachsen.de

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