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Rückforderungsanspruch des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Vermieter des Hilfeempfängers
VG Lüneburg 4. Kammer,
Urteil vom
24.06.2003, 4 A 78/02, ECLI:DE:VGLUENE:2003:0624.4A78.02.0A
§ 812 BGB, § 814 BGB, § 11 BSHG
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten, an ihn 1043,04 € (2040,– DM) zu zahlen. Die Beklagten sind Eigentümer der Wohnung Nr. 16, „F. 21a“ in G.. Mit Vertrag vom 17. Januar 1998 vermieteten sie diese Wohnung an Frau H. I.. In dem Mietvertrag heißt es unter § 29 „Sonstige Vereinbarungen“ u.a.:
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„Die Mieterin erhält Hilfe zum Lebensunterhalt vom zuständigen Sozialamt. Diese(s) Amt hat sich im Vorwege verpflichtet, die Miete und die Betriebskostenvorauszahlung auf das Konto des Vermieters zu überweisen. Bei Wegfall der Anspruchvoraussetzungen tritt die Einzugsermächtigung bezgl. des Kontos des Mieters gemäß dieses Vertrages anstelle der o.g. Überweisungsverpflichtung.“
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Ab dem 1. Februar 1998 gewährte der Kläger Frau I. und ihren Kindern Hilfe zum Lebensunterhalt. In Absprache mit der Hilfeempfängerin überwies er die Hilfe in Höhe des Mietzinses für die von ihr gemietete Wohnung direkt an die Beklagten, ohne dass er die Übernahme der Miete den Beklagten gegenüber gesondert erklärt hatte. Mit Bescheid vom 24. August 2000 stellte der Kläger die Hilfe gegenüber der Hilfeempfängerin und ihren Kindern ab dem 1. September 2000 ein, weil sie mitgeteilt hatte, dass sie zu diesem Zeitpunkt nach J. verziehen werde. Mit Schreiben vom 25. September 2000 forderte der Kläger die Beklagten auf, die Miete für den Monat September 2000 zurückzuzahlen. Da Frau I. keinen Hilfeanspruch mehr habe, stehe den Beklagten die Miete nicht mehr zu. Die Beklagten wandten sich hiergegen. Der Mietvertrag sei nicht gekündigt worden. Deswegen hätten sie Anspruch auf die ihnen hiernach zustehende Miete. Sie forderten den Kläger auf, die Miete für den Monat Oktober zu zahlen. Dies tat der Kläger. Im Oktober 2000 hoben die Beklagten und Frau I. den Mietvertrag einvernehmlich zum Ablauf des 31. Oktober 2000 auf. Mit Schreiben vom 5. Juli 2001 forderte der Kläger die Beklagten auf, die Miete für den Monat Oktober zurückzuzahlen. Auch dies lehnten die Beklagten ab.
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Der Kläger hat am 14. März 2002 Klage erhoben. Er könne von den Beklagten eine Rückzahlung auf der Grundlage des öffentlich – rechtlichen Erstattungsanspruches verlangen. Hier liege eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung vor, denn er, der Kläger, habe an die Beklagten durch die Mietzahlungen eine Leistung erbracht. Ein Rechtsgrund für diese Leistung habe ungeachtet des Mietvertrages nicht bestanden. Dieser habe nur den Rechtsgrund für die privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Beklagten und Frau I. gebildet. Für die öffentlich – rechtliche Sekundärbeziehung zwischen ihm, dem Kläger, und den Beklagten sei erforderlich, dass neben dem Mietverhältnis auch ein Sozialhilfeanspruch bestehe. Daran habe es für den streitigen Zeitraum gefehlt.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.043,03 € (2.040,– DM) zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 % ab dem 14. März 2002 und in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 1. Juli 2002 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Der Rechtsweg zu dem Verwaltungsgericht sei nicht eröffnet. Es liege ein zivilrechtlicher Streit vor. Im Übrigen habe es zwischen ihnen und dem Kläger kein Rechtsverhältnis gegeben. Sie hätten lediglich mit der ehemaligen Mieterin vereinbart, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger die Miete direkt an sie, die Beklagten, zahle. Der Kläger habe lediglich als Erfüllungsgehilfe der Mieterin gehandelt.
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Die Kammer hat mit Beschluss vom 19. Dezember 2002 nach § 17a Abs. 3 GVG entschieden, dass der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Februar 2002 (- 4 OB 41/03 -) zurückgewiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat Erfolg.
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Sie ist zunächst zulässig. Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, weil es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um eine öffentlich – rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO handelt. An dieser Einschätzung, die die Kammer bereits mit Beschluss vom 19. Dezember 2002 (bestätigt durch NdsOVG, Beschl. v. 20. Februar 2002 – 4 OB 41/03 -) dargelegt hat, ist festzuhalten. Ob eine öffentlich – rechtliche Streitigkeit gegeben ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Kopp, VwGO, 12. Aufl., § 40 Rn. 6). Öffentlich – rechtlich sind Ansprüche, wenn sie sich als Folge eines Sachverhalts darstellen, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die öffentliche Verwaltung die ihr anvertrauten öffentlichen Aufgaben auch in der Form und mit Mitteln des Privatrechts erfüllen kann, wenn und soweit keine öffentlich-rechtlichen Normen oder Rechtsgrundsätze entgegenstehen. Allein aus dem Umstand, dass eine öffentliche Aufgabe vorliegt, kann deswegen nicht auf den öffentlich – rechtlichen Charakter ihrer Ausführung geschlossen werden. Entscheidend ist vielmehr, ob das öffentliche Recht die Ausführung der Verwaltungsaufgabe, d.h. den Verwaltungsvollzug, ausschlaggebend prägt (BVerwG, Beschl. v. 18.10.1993 – 5 B 26.93 – BVerwGE 94, 229).
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Das war hier der Fall. Die Zahlungen an die Beklagten standen in untrennbarem rechtlichen Zusammenhang mit dem öffentlich – rechtlichen Sozialhilfeanspruch der Hilfeempfänger. Indem der Kläger die von Frau I. geschuldete Miete für die Monate September und Oktober 2000 auf das Konto der Beklagten überwies, ohne dass er diesen gegenüber selbst verpflichtet war, tilgte er auf der Grundlage der §§ 11, 12, 22 BSHG i.V. mit § 3 Abs. 1 RegelsatzVO die Mietschulden der Hilfeempfängerin, um ihren Unterkunftsbedarf sowie den ihrer Kinder zu decken. Die direkte Auszahlung eines Teils der Sozialhilfeleistungen an die Beklagten als Vermieter der Hilfeempfängerin erfolgte in Ausübung des dem Kläger nach § 4 Abs. 2 BSHG zustehenden Ermessens mit Rücksicht auf § 3 Abs. 2 Satz 1 BSHG, wonach Wünschen des Hilfeempfängers, die sich auf die Gestaltung der Hilfe richten, entsprochen werden soll, soweit sie angemessen sind. Damit handelte der Kläger insgesamt auf der Ebene des öffentlichen Rechts (NdsOVG, Beschl. v. 20.2.2003 – 4 OB 41/03 -; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 19.5.1994 – 5 C 33.91 – BVerwGE 96, 71, zu einer Kostenübernahmeerklärung des Sozialhilfeträgers).
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Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann auf der Grundlage des gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlich – rechtlichen Erstattungsanspruches die Rückzahlung des an die Beklagten überwiesenen Betrages in Höhe von 1.043,04 € verlangen. Dieser Anspruch stellt eine Ausprägung des allgemeinen Rechtsgedankens dar, dass rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden müssen, um die Gerechtigkeit wiederherzustellen. Er setzt Leistungen ohne Rechtsgrund bzw. eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung im Rahmen öffentlich – rechtlicher Rechtsverhältnisse voraus (BVerwG, Urt. v. 12.3.1985 -7 C 48.82 – BVerwGE 71, 85).
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Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Durch die Zahlung des Klägers an die Beklagten ist eine Vermögensverschiebung zu Lasten des Klägers und zu Gunsten der Beklagten eingetreten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger mit der Zahlung einen Leistungszweck nicht nur im Verhältnis zu den Hilfeempfängern sondern auch zu den Beklagten verfolgt hat. Da der öffentlich – rechtliche Erstattungsanspruch auf Vermögensverschiebungen durch Leistung und solche auf andere Weise gleichermaßen Anwendung findet, ist unerheblich, auf welche Art und Weise die Vermögensverschiebung zustande gekommen ist. Maßgebend ist allein das Fehlen oder der Wegfall des Rechtsgrundes (Ossenbühl, „Der öffentlich – rechtliche Erstattungsanspruch“, NVwZ 1991, 513). Der im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht (§§ 812 ff BGB) nach h.M. geltende Vorrang der Leistungs- vor der Nichtleistungskondiktion kann ebenfalls nicht gelten. Dies folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dem die öffentliche Hand verpflichtet ist, und der es gebietet, ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebungen zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wieder herzustellen (s. hierzu: BVerwG, Urt. v. 12.3.1985 – 7 C 48.82 – BVerwGE 71, 85).
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Soweit die Vermögensverschiebung – wie hier – nicht auf einem wirksamen Verwaltungsakt beruht, ist sie rechtsgrundlos, wenn sie dem materiellen Recht widerspricht (Ossenbühl, „Der öffentlich – rechtliche Erstattungsanspruch“, NVwZ 1991, 513; Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl., § 29 Rn. 28). So lag es hier. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Mietvertrag zwischen den Beklagten und Frau I. noch Bestand hatte; denn dieser entfaltete für den Kläger keine Bindungswirkung. Vielmehr entfiel der Rechtsgrund für die Zahlungen des Klägers an die Beklagten wegen des rechtlichen Zusammenhangs mit dem Sozialhilfeanspruch der Hilfeempfänger, nachdem die Hilfeempfänger Sozialhilfeleistungen von dem Kläger nicht mehr verlangen konnten, und dieser die Hilfe mit Bescheid vom 24. August 2000 eingestellt hatte (vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 6.10.1997 – 12 B 94.2201 – DVBl. 1998, 341).
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Dem Anspruch des Klägers auf Erstattung steht auch nicht entgegen, dass er die Zahlung für den Monat Oktober 2000 erbrachte, obwohl er wusste, dass Frau I. keinen Hilfeanspruch mehr hatte. Die Regelung des § 814 BGB wonach das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete, dann nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, ist im Rahmen des öffentlich – rechtlichen Erstattungsanspruches nicht anwendbar. Der Vorschrift liegt ebenso wie den §§ 818 Abs. 3 und 4, 819 Abs. 1 BGB eine Interessenwertung zugrunde, die in das öffentliche Recht nicht übertragbar ist, weil die öffentliche Hand dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet ist (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 28.11.1991 – 1 A 10312/89 – NVWZ 92, 795; HessVGH Urt. v. 17.7.1990 – 11 UE 1487/89 – NJW 1991, 510). Auch in Fällen, in denen sie in Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes geleistet hat, ist aufgrund einer Abwägung des privaten Vertrauensschutzinteresses einerseits und des öffentlichen Interesses an einer Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage andererseits zu entscheiden, ob die Erstattungspflicht des Bürgers entfällt (Hess. VGH a.a.O). Diese Abwägung fällt hier zu Lasten der Beklagten aus. Wie sich aus dem Mietvertrag ergibt, wussten sie, dass die Zahlungen des Klägers davon abhängig waren, dass die Hilfeempfänger weiterhin Sozialhilfe beanspruchen können. Zum Zeitpunkt der Überweisung des Mietzinses für den Monat Oktober 2000 war den Beklagten weiter bekannt, dass ein Hilfeanspruch nicht mehr bestand. Auf Vertrauensschutz können sie sich deswegen nicht berufen.
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Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB (in der Fassung des Gesetzes vom 2.1.2002, BGBl I S. 42) und wird durch den Antrag des Klägers begrenzt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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