Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Stade 1. Kammer | 1 A 792/20 | Urteil | Wiederaufforstungsanordnung nach illegaler Waldumwandlung im Hinblick auf eine „durchgewachsene“ Weihnachtsbaum- bzw. Schmuckreisigkultur

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Dass der Beklagte die Anordnungen im Bescheid vom 22. April 2020 auf § 12 Abs. 4 Satz 1 NWaldLG i.V.m. § 14 Satz 1 NWaldLG und damit auf falsche Rechtsgrundlagen gestützt hat (vgl. Möller, Umweltrecht und Landnutzungsrecht, 6. Auflage, 2016, Ziffer 45.4.12.2), führt für sich genommen nicht zu deren Rechtswidrigkeit. Es ist als allgemeiner Grundsatz anerkannt, dass die zur Kontrolle des Verwaltungshandelns berufenen Gerichte in ihrer Bewertung der Rechtslage, namentlich in der Frage, anhand welcher Rechtsnormen das Verwaltungshandeln zu überprüfen und aufgrund welcher Rechtsnormen es als rechtmäßig erachtet werden kann, unabhängig von der Rechtsauffassung der Verwaltung sind. Im geltenden Verwaltungsprozessrecht findet dies seinen Niederschlag in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Verwaltungsgericht einen angefochtenen Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid nur aufhebt, wenn und soweit er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Kommt das Gericht zu der Erkenntnis, dass der Verwaltungsakt zu Unrecht auf die von der Behörde herangezogene Rechtsnorm gestützt ist, ist das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet, zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern der Bescheid durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsnorm und die dadurch geänderte Begründung nicht in seinem Wesen verändert wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2019 – 2 B 18.18 –, Rn. 17, juris). Eine Wesensänderung ist regelmäßig zu verneinen, wenn die Rechtsgrundlage bei einer gebundenen Entscheidung ausgewechselt wird, ebenso dann, wenn bei einer zunächst zu Unrecht auf eine Ermessensnorm gestützten Verfügung die Rechtsgrundlage für eine gebundene Entscheidung nachgeschoben wird. Demgegenüber führt der Wechsel der Rechtsgrundlage bei Ermessensentscheidungen regelmäßig zu einer Wesensänderung. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn die Zwecke beider Ermächtigungsnormen so eng beieinander liegen, dass ein Austausch ausnahmsweise möglich erscheint (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2014 – 13 B 1250/14 –, Rn. 14; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage, 2018, § 113 VwGO, Rn. 86). Letzteres ist hier der Fall. Wiederaufforstungsanordnungen (sowie damit zusammenhängende Begleitverfügungen) dienen sowohl nach § 8 Abs. 7 NWaldLG als auch nach § 12 Abs. 4 Satz 1 NWaldLG i.V.m. § 14 Satz 1 NWaldLG der Erhaltung des Waldes zu den in § 1 Nr. 1 NWaldLG genannten Zwecken. Eine Wiederaufforstungsanordnung nach § 8 Abs. 7 NWaldLG erfordert auch keine wesentlich anderen oder zusätzlichen Ermessenserwägungen als eine Wiederaufforstungsanordnung nach § 12 Abs. 4 Satz 1 NWaldLG i.V.m. § 14 Satz 1 NWaldLG (vgl. zu diesem Aspekt BVerwG, Urteil vom 31. März 2010 – 8 C 12.09 –, Rn. 16, juris). Es ist im Gegenteil vielmehr so, dass die Waldbehörde bei Vorliegen der Voraussetzungen die „unverzügliche“ Wiederaufforstung der Grundfläche nach § 8 Abs. 7 NWaldLG anordnen „soll“. Die Formulierung als Soll-Vorschrift bedeutet eine strikte Bindung der Behörde für den Regelfall und gestattet Abweichungen nur in atypischen Fällen. Liegen, wie hier, keine Umstände vor, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, so bedeutet das „Soll“ ein „Muss“ (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 04. September 2018 – 10 LA 45/18 –, Rn. 25, juris). Bei einer Wiederaufforstungsanordnung nach § 12 Abs. 4 Satz 1 NWaldLG i.V.m. § 14 Satz 1 NWaldLG ist das der Waldbehörde eröffnete Ermessen („kann“) hingegen in keiner Weise gebunden oder intendiert, sodass insofern die allgemeinen Anforderungen an die Ermessensausübung gelten. Eine solche Wiederaufforstung kann zudem nur in angemessener Frist angeordnet werden. Vor diesem Hintergrund sind die ermessensleitenden Erwägungen, die der Beklagte angestellt hat, ohne weiteres auch für eine auf § 8 Abs. 7 NWaldLG zu stützende Wiederaufforstungsanordnung ausreichend und hierauf übertragbar. Das gilt auch für die Erwägungen des Beklagten zum Adressaten der Wiederaufforstungsanordnung (vgl. dazu Nds. OVG, Beschluss vom 11. November 2020 – 10 LA 93/20 -, S. 4 f. BA, n.v.). Da der Kläger, was der Beklagte in seinem Bescheid ebenfalls ausdrücklich thematisiert hat, keinen Antrag auf Waldumwandlung gestellt hat, musste der Beklagte sich im Rahmen der auf § 8 Abs. 7 NWaldLG zu stützenden Wiederaufforstungsanordnung auch nicht mit den Voraussetzungen für eine Waldumwandlung („sofern sie nicht nach Maßgabe der Absätze 3 bis 5 eine Genehmigung erteilt“) befassen.

Quelle : Niedersachsen.de

Bilder: Titel Symbolbilder Niedersachsen by Pixabay.com / Niedersachsen.de

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