4. Partnerschaften strategisch ausbauen
Ein attraktives Zentrum Europa kann entscheidend dazu beitragen, auf globale Herausforderungen globale Antworten zu geben. Eine regelbasierte internationale Ordnung ist dafür die beste Grundlage. Daher ist es im strategischen Interesse Europas, auf funktionierende multilaterale Institutionen und internationale Abkommen hinzuwirken. Dafür sollte Europa geopolitischer denken und handeln – und klare Leitlinien im Umgang mit anderen Machtzentren definieren.
Gleichzeitig ist es wichtig, Beziehungen zu aufstrebenden Staaten und Regionen, die berechtigterweise ihr Interesse an der Mitgestaltung der globalen Ordnung äußern, nachhaltig auszubauen. Gerade in Konkurrenz zu Machtzentren wie China und Russland, die andere Werte und Ziele verfolgen, ist es wichtig, dass Europa Kooperationsangebote macht, die attraktiv und nachhaltig sind. Das gilt insbesondere für Staaten, die uns politisch und gesellschaftlich nahestehen.
Transatlantische Beziehungen stärken
Das transatlantische Verhältnis ist zentral für die europäischen und deutschen Außenbeziehungen. Die gemeinsame Mitgliedschaft in der NATO, den Vereinten Nationen, der G7 und der G20 sowie das geteilte Bekenntnis zu demokratischen und freiheitlichen Werten ermöglichen es, strategische Ziele gemeinsam in Bereichen wie zum Beispiel der europäischen Sicherheit, Klimapolitik und des Multilateralismus zu verfolgen.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine lässt die transatlantischen Gemeinsamkeiten so stark hervortreten wie lange nicht. Bei der Unterstützung der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland schreiten Europa und die USA im engen Schulterschluss voran, die USA sind Europas wichtigster Sicherheitspartner weltweit.
Starke transatlantische Beziehungen sind keine Selbstverständlichkeit. Die kommenden Präsidentschaftswahlen werden klären, ob die unter Präsident Biden verbesserten Beziehungen von Dauer sind. Zudem wenden sich die USA strategisch und sicherheitspolitisch zunehmend dem indopazifischen Raum zu.
Die Gefahr protektionistischer Maßnahmen ist in den USA zuletzt gestiegen. Die Entwicklung und Produktion von Schlüsseltechnologien werden stark subventioniert. Amerikanische Firmen werden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und Zuschüsse bevorzugt. Wir setzen uns daher dafür ein, dass Europa alles daransetzt, einen Handelsstreit und Subventionswettlauf mit den USA zu vermeiden und stattdessen bestehende Handelshemmnisse abzubauen. Der Handels- und Technologierat (TTC) ist hierfür das richtige Forum. Im Falle klar WTO-widriger Maßnahmen muss die EU reagieren.
Gleichzeitig sollte Europa danach streben, mittels einer Investitions- und Innovationsoffensive in Zukunftstechnologien (Greentech, 6G in der Medizintechnik usw.) an wirtschaftlicher Kraft zu gewinnen. Ein wirtschaftlich starkes und unabhängiges Europa ist ein attraktiver Partner für die USA, um innovations-, wirtschafts- und handelspolitische Kooperationen einzugehen.
Um die transatlantischen Beziehungen zu einer echten Führungs- und Verantwortungspartnerschaft weiterzuentwickeln, wird Deutschland in Europa mehr Verantwortung übernehmen. Wir wollen, dass Europa verteidigungspolitisch stärker auf eigenen Füßen steht und einen größeren Anteil der Aufgaben übernimmt und eigene Fähigkeiten fortentwickelt. Mit Blick auf die europäische Säule der NATO sowie dieKoordinierung und Förderung von europäischen Rüstungsvorhaben sollte das Ziel sein, dass Europäerinnen und Europäer im Rahmen der NATO-EU-Kooperation ihre Sicherheit zunehmend auch stärker selbst gewährleisten können.
Das Verhältnis zu China neu bewerten
Die Zeitenwende in der Außen- und Sicherheitspolitik hat auch zu einer kritischeren Bewertung Chinas geführt. Spätestens mit Chinas ausbleibender Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine müssen wir feststellen, dass China unter Xi Jinping eine Globalmacht ist, die Weltpolitik in ihrem Sinne zu formen gedenkt. Die Ergebnisse des 20. Parteitags der KPCh unterstreichen das nachdrücklich.
Nach außen tritt China immer selbstbewusster und zuweilen aggressiver auf, etwa indem es seine hegemonialen Ansprüche in seiner Nachbarschaft immer wieder deutlich gemacht hat. Repressive Entwicklungen im Inland, etwa die massive Einschränkung von Freiheitsrechten in Hongkong oder die dokumentierten Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren sind besorgniserregend.
Die Charakterisierung Chinas von der EU-Kommission als „Partner-Wettbewerber- Systemrivale“ gibt die Komplexität der Beziehungen zu China wieder. Die Volksrepublik ist inzwischen zu einem veritablen geopolitischen Akteur aufgestiegen, ohne dessen Mitwirkung globale Herausforderungen wie der Klimawandel, die Bekämpfung von Pandemien und Nahrungsmittelkrisen sowie die Rüstungskontrolle und die Nichtverbreitung von Atomwaffen nicht zu lösen sind. Zugleich sind die chinesischen und europäischen Wirtschaften über ihre internationalen Wertschöpfungsketten zum gegenseitigen Vorteil eng miteinander verflochten. Westliche Firmen befinden sich im Wettbewerb mit chinesischen Firmen um Marktanteile und Innovationen.
Daher ist ein Decoupling nicht die richtige Antwort. Stattdessen brauchen wir eine europäische Resilienzstrategie, die Risiken verringert (De-Risking), auch mit Blick auf den Schutz kritischer Infrastruktur in Europa. Zudem geht es um die Diversifizierung der Wirtschaftsbeziehungen, um wirtschaftliche Abhängigkeiten von China zu minimieren, beispielsweise bei der Rohstoff-Beschaffung nach dem Prinzip „China plus eins“, bei dem wir neben China immer auch einen alternativen Lieferanten haben. Wir müssen Anreize für deutsche Unternehmen setzen, ihre Wertschöpfungsketten und Absatzmärkte zu diversifizieren. Dazu gehört auch, dass wir über ein europäisches Lieferkettengesetz den Import von Produkten aus Zwangsarbeit untersagen.
Schließlich hat sich China unter Xi Jinping zu einem Systemrivalen gewandelt. Mit seinem Streben nach wirtschaftlicher und militärischer Dominanz im indopazifischen Raum, der Ausweitung seines politischen und wirtschaftlichen Einflusses im Globalen Süden und seiner Kritik an den Regeln und Grundsätzen der internationalen Ordnung arbeitet China an einem Umbau des internationalen Systems zu seinen Gunsten.
Der Aufstieg Chinas bedarf einer gemeinsamen europäischen Chinapolitik. Europa darf sich nicht von Peking auseinanderdividieren lassen, sondern muss seine geopolitische Macht nutzen und mit einer Stimme für Europas Interessen und Werte sprechen. Die Lehre aus Russlands Angriffskrieg muss ebenso sein, dass wir mit Partnern weltweit enger zusammenarbeiten. Im indopazifischen Raum fühlen sich viele unserer Partner von China bedroht. Diese Sorgen und Ängste müssen wir ernst nehmen und in unserer Politik gegenüber China berücksichtigen.
Der Dialog mit China sollte gesucht und robust und konstruktiv-kritisch geführt werden. Menschenrechtsverstöße oder Protektionismus gehören genauso angesprochen wie unser Bekenntnis zur Ein-China-Politik und zu der Überzeugung, dass die Taiwan-Frage nur einvernehmlich in einem friedlichen Verfahren geklärt werden kann.
Sicherheit in Europa vor Russland organisieren
Einige Länder Europas und vor allem Deutschland haben zu lange ausschließlich auf eine kooperative Zukunft mit Russland gesetzt und dabei versäumt, Szenarien für einen anderen Umgang mit Russland zu entwickeln. Dies wäre nach der russischen Invasion in Georgien, spätestens aber nach der Annexion der Krim 2014 dringend erforderlich gewesen.
Deutschland und Russland verbindet eine besondere Geschichte. Aus dieser Geschichte haben wir die Verantwortung abgeleitet, das Verbindende in den Mittelpunkt unserer Politik zu rücken. Dadurch wurde der Blick für das Trennende getrübt, auch als Putins Regime sich immer weiter von Europa entfernt hat. Entsprechend hat Deutschland nicht ausreichend auf die autokratischen Entwicklungen in Russland und dessen immer aggressiveres Auftreten in der Außenpolitik reagiert. Das zunehmend mangelnde Interesse Russlands an gemeinsamen Institutionen wie dem Europarat oder der OSZE war ein weiteres Anzeichen der Entfremdung.
Das Festhalten an der Annahme, mit immer stärkeren wirtschaftlichen Verflechtungen langfristig zu einer Demokratisierung und Stabilisierung Russlands beizutragen, war ein Fehler. Stattdessen hat Deutschland sich energiepolitisch in eine einseitige Abhängigkeit von Russland begeben, die die sicherheitspolitische Dimension seiner Energieversorgung verkannt hat. Auch andere Länder in Ost-, Mittel-, und Südeuropa haben ihre Energieversorgung nicht ausreichend diversifiziert. Eine europäische Resilienzstrategie muss verhindern, dass solch einseitige Abhängigkeiten in Zukunft erneut entstehen können.
Solange das Putin-Regime sein imperialistisches Ziel der Eroberung und Unterdrückung souveräner Staaten verfolgt, kann es keine Normalisierung des Verhältnisses zu Russland geben. Langfristig halten wir am Ziel einer gemeinsamen Sicherheitsordnung in Europa fest. Das wird erst dann funktionieren, wenn auch Russland wieder ein Interesse daran hat und Grundprinzipien der regelbasierten Ordnung anerkennt. Klar ist: Solange sich in Russland nichts fundamental ändert, wird die Sicherheit Europas vor Russland organisiert werden müssen.
Globaler Süden als gleichberechtigter Partner
In einer multipolaren Weltordnung können Regierungen und Gesellschaften die Spielräume einer brüchigen internationalen Ordnung zu ihrem Vorteil nutzen. Es gibt Alternativen zum westlichen Entwicklungsmodell. Vor allem Länder, die zu den Hauptempfängern von Entwicklungsleistungen der OECD-Länder gehören, nutzen ihre Möglichkeiten, zwischen unterschiedlichen Angeboten zu wählen. Im Schatten dieser Entwicklungen haben autoritäre Regime an Stärke gewinnen können. Viele Staaten im Globalen Süden haben sich von den Verheißungen liberaler Demokratien abgewendet, weil sie ihre Erwartungen nicht erfüllt sehen.
Darauf muss Europa reagieren und strategisch in Partnerschaften mit Ländern des Globalen Südens investieren. Europa ist für viele Staaten der Partner der ersten Wahl – allerdings haben wir es in den letzten Jahren versäumt, dieses Kapital auszuschöpfen und attraktive Kooperationsangebote zu machen, im Gegensatz zu China oder auch Russland. Ein wichtigerSchritt ist die Reform multilateraler Organisationen und Regeln, um dem Wunsch nach besserer Repräsentation des Globalen Südens nachzukommen.
Für einen Multilateralismus ohne Doppelstandards
Wir wollen partnerschaftliche Zusammenarbeit als Win-Win-Modell ausbauen und damit einen Multilateralismus ohne Doppelstandards etablieren. Dafür ist die Europäische Union als ein globales Zentrum in der Welt von großer Wichtigkeit: Europa kann mit attraktiven, fairen Angeboten viele Länder als Mitstreiter für gemeinsame Projekte gewinnen.
Es ist Zeit für eine neue internationale Politik, die zukunftsfähig, krisenfest und sozial gerecht ist. Ungleiche und neoliberale Machtstrukturen in den Nord-Süd-Beziehungen wollen wir aufbrechen, Menschenrechte stärken, Demokratie und Wohlstand fördern.
Gradmesser für die Zusammenarbeit mit globalen Partnern sind die von der Weltgemeinschaft gemeinsam verabschiedeten 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. In diesen Zielen sind viele Kernüberzeugungen sozialdemokratischer Politik enthalten, und sie sind damit für uns vielversprechende und nachhaltige Anknüpfungspunkte für bilaterale und multilaterale Projekte.
Dialog auch mit schwierigen Partnern
Dabei dürfen wir den Dialog und die Kooperation mit Staaten nicht ausschließen, die nicht unsere Werteordnung teilen. Wenn mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in autokratisch regierten Ländern lebt, dann kann sich eine Partnerschaftspolitik nicht nur auf Demokratien beschränken. Zentral für mehr globale Sicherheit sind beispielsweise die internationale Rüstungskontrolle, die Nichtverbreitung nuklearer Waffen oder der gemeinsame Kampf gegen die Klimakrise. Dafür ist es wichtig, Gesprächskanäle offen zu halten – auch mit schwierigen Partnern. Deshalb wird es unterschiedliche Sphären der Kooperation geben, die auch nicht- demokratisch geführte Staaten mit einbeziehen.
Dies setzt im Rahmen einer werteorientierten Interessenpolitik die Identifikation von gemeinsamen Interessen voraus. Es sind jedes Mal schwierige Abwägungen notwendig, wie weit eine Kooperation gehen kann und an welchem Punkt unsere Grundsätze und Werte eine solche Zusammenarbeit verhindern.
Nichtsdestotrotz gehört es zu unserem Selbstverständnis als sozialdemokratische Partei, dass wir mit progressiven und demokratischen Kräften weltweit zusammenarbeiten. Dem Aufstieg von autoritären Kräften weltweit muss die verstärkte Solidarität unter Demokratinnen und Demokraten entgegengesetzt werden. Dazu gehören auch die Unterstützung und der Schutz demokratischer Zivilgesellschaften, die immer stärker bedroht sind.
Gemeinsame Antworten auf globale Herausforderungen
Die Herausforderungen der globalisierten Welt sind vielschichtig, kein Staat kann sie allein meistern:
Der Kampf gegen die Klimakrise braucht Partnerschaften bei der Entwicklung und Bereitstellung von Klimatechnologien. Mit seiner Initiative, einen Klimaclub mit Staaten aus dem Globalen Norden und Süden zu gründen, zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz Führung und schafft ein neues Forum für ambitionierte und koordinierte globale Klimaschutzpolitik.
Darüber hinaus wollen wir gemeinsam mit Ländern des Globalen Südens Strategien zur Emissionsminderung und Anpassung an den Klimawandel entwickeln, etwa durch neue Energie- und Klimapartnerschaften. Diese Partnerschaften nutzen dem Ausbau der Energieversorgung und der Wirtschaft vor Ort. Zudem unterstützen sie den Umbau der europäischen Energieversorgung mit Solar- und Windstrom sowie Grünem Wasserstoff. Darüber hinaus werden wir uns dafür einsetzen, dass Deutschland und Europa die Länder, die am stärksten mit Verlusten und Schäden durch den Klimawandel zu kämpfen haben, nicht alleinlassen. Wir wollen den globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken weiter ausbauen.
Der globale Kampf gegen Armut und Hunger ist präventive Friedenspolitik. Daher ist eine solide Finanzierung des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen eine wichtige Solidarleistung des Globalen Nordens. Darüber hinaus kommt diplomatischen und entwicklungspolitischen Bemühungen hinsichtlich wachsender Verteilungskämpfe aufgrund der Klimakrise oder kriegerischen Auseinandersetzungen, die den Welthandel mit Lebensmitteln beeinträchtigen, eine existenzielle Bedeutung zu.
Der Abschluss von weitreichenden Handels- und Investitionsabkommen (bspw. EU-Mercosur- Abkommen), die auch die sozialen Rechte stützen, Umwelt und Klima schützen und langfristige Perspektiven für Wachstum und Wohlstand für alle Vertragsparteien schaffen, wäre ein wichtiger Meilenstein, um robuste Allianzen und Partnerschaften zu etablieren. Im Angesicht wachsender Handelsstreitigkeiten machen wir uns zudem für eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) stark. Europas Wohlstand, aber auch die Entwicklungsperspektiven vieler Staaten des Globalen Südens hängen stark von einem regelbasierten, diskriminierungsfreien globalen Handelsregime ab.
Das Vertrauen des Globalen Südens in die Solidarität der Weltgemeinschaft wurde in den vergangenen Jahren durch eine Abschottungspolitik bei der Bekämpfung der Corona- Pandemie beschädigt. Im Rahmen einer globalen Gesundheitspolitik müssen künftig schnellere, grenzüberschreitende Unterstützung und unbürokratische internationale Kooperationen ermöglicht werden – zum Beispiel durch den schnelleren dezentralen Aufbau von Produktionsstätten für Impfstoffe. Die Schaltzentrale bei einer solchen Gesundheitskrise sollte eine breit getragene und breit unterstützte Weltgesundheitsorganisation sein.
Auch der Themenbereich Flucht und Migration wurde von Europa bislang wenig partnerschaftlich behandelt – was dem Vertrauen in unsere Haltung zu Menschenrechten schadet. Das Sterben und das Leiden an den europäischen Außengrenzen muss ein Ende haben. Europa braucht eine wertebasierte Flüchtlings- und eine kooperative Migrationspolitik. Dazu wollen wir Migrationspartnerschaften ausbauen und regelbasierte Migration nach Europa, etwa für Studierende, Fachkräfte oder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, fördern. Zugleich wollen wir gemeinsam mit Partnerländern die zirkuläre Migration ausbauen und attraktiver gestalten, um Entwicklungspotenziale von Migration stärker zu nutzen.
Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, hohe Energie- und Lebensmittelpreise gekoppelt mit einem deutlichen Anstieg der Zinsen haben die Schuldentragfähigkeit vieler Länder des Globalen Südens verschlechtert und ihre politische Handlungsfähigkeit beeinträchtigt. Vielen Staaten droht eine Verschuldungskrise, die weitere internationale Instabilitäten auslösen könnte. Um dem zu begegnen, sollte Deutschland gemeinsam mit anderen Gläubigern für eine solidarische Lösung eintreten (z. B. einen anteiligen Schuldenerlass). Zudem brauchen wir eine Neuausrichtung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF). Sie stammen aus einer anderen Zeit und sind für die aktuellen Herausforderungen nicht gut aufgestellt. Es gilt, Strukturen an das 21. Jahrhundert anzupassen und öffentliche wie auch private Finanzmittelzu mobilisieren, um wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklungsprozesse vor allem in schwächeren Ländern zu finanzieren. Diese Reform wollen wir in Europa gemeinsam mit Partnerländern aus dem Globalen Süden angehen.
Starke Vereinte Nationen für eine handlungsfähige Weltgemeinschaft
Wir wollen unser Engagement intensivieren, damit die Vereinten Nationen (VN) an Stärke zurückgewinnen, wo sie sie verloren haben, und ausbauen, wo die Weltgemeinschaft internationale Regeln und internationales Handeln benötigt.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zum wiederholten Male eine Schwachstelle des VN-Sicherheitsrats offenbart: Seine Struktur reflektiert noch die Nachkriegsordnung einer bipolaren Welt mit Kolonialmächten. Das Veto eines ständigen Mitglieds verhindert jede Resolution, die friedensstiftende Maßnahmen einleiten würde. So wie der Sicherheitsrat derzeit arbeitet, kann er seiner Hauptaufgabe, Friedenssicherung und Friedensschaffung, nicht gerecht werden.
Darüber hinaus müssen wir das System der internationalen Strafgerichtsbarkeit stärken. Jeder, der sich eines Kriegsverbrechens schuldig macht, soll befürchten müssen, hierfür auch belangt zu werden. Straflosigkeit bei Kriegsverbrechen soll es in Zukunft nicht mehr geben.
Eine Welt ohne Atomwaffen bleibt das Ziel sozialdemokratischer Politik. Dafür unterstützen wir dringend notwendige konkrete Fortschritte zur nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle, zuvorderst im Rahmen der Vereinten Nationen. Wir unterstützen überdies Initiativen zum Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen (no first use). Des Weiteren setzen wir uns für eine Beibehaltung, Erfüllung und Verlängerung des New-START-Vertrages zur Begrenzung und Verifikation von strategischen Nuklearwaffen ein.
Die deutsche Bewerbung um einen Sitz im Sicherheitsrat 2027 wollen wir zum Anlass nehmen, Abrüstungsinitiativen auf globaler Ebene wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Darüber hinaus werden wir die Diskussion um eine Reform des VN-Sicherheitsrats neu aufrollen, auch wenn eine Reform angesichts der gegenwärtigen geopolitischen Spannungen schwierig ist. Wir unterstützen Initiativen, die einen zeitgemäßen institutionellen Umbau des wichtigsten VN-Organs im Rahmen einer Charta-Änderung oder einer Überprüfungskonferenz zum Ziel haben, etwa die G4-Initiative Brasiliens. Wir wollen eine angemessene Repräsentation aller Weltregionen in den Institutionen internationaler Organisationen und einen handlungsfähigen Sicherheitsrat der VN. Wir werden pragmatische Vorschläge wie eine Begrenzung des Vetos unter Einbindung der Generalversammlung weiterverfolgen.
Allein mehr Geld wird nicht zum Erfolg führen. Deutschland wird auch personell stärker gefordert sein – bei Friedensmissionen, zivilen Projekten und in VN-Polizeimissionen. Wir haben gut ausgebildetes Personal, das beispielsweise bei VN-Peacekeeping-Missionen entscheidend zum Gelingen beitragen kann. Dafür wollen wir eine notwendige Bund-Länder- Vereinbarung auf den Weg bringen. Wir wissen, dass eine Reform des VN-Systems ein schwieriges Unterfangen ist. Deshalb wollen wir bestehende multilaterale Foren und Plattformen (G7, G20, OECD) nutzen und weiterentwickeln. Darüber hinaus gehen wir anlassbezogen mit zusätzlichen Initiativen wie etwa dem Klimaclub voran, um dem Kampf gegen die Klimakrise eine neue Dynamik zu verpassen.
Bilder Quelle: Pixabay / Copyright SPD/Fotograf
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