Pflicht zur Kontrolle von Impf- und Genesenenausweisen bis zum 19. März 2022 rechtmäßig; Eilantrag eines Einzelhandelsunternehmens abgelehnt
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit einem Eilantrag. Sie betreibt in Baden-Württemberg
mehrere Filialen im Textileinzelhandel. Sie machte geltend, für die Kontrollpflicht fehle es an der notwendigen
Ermächtigungsgrundlage im Infektionsschutzgesetz. Die Kontrollpflicht sei auch unverhältnismäßig. Für sie entstehe
ein erheblicher zusätzlicher personeller Aufwand. Aufgrund der fortschreitenden Zuspitzung der gesellschaftlichen Konflikte in der
Corona-Pandemie seien ihre Mitarbeiter auch erheblichen Gefährdungen bei den Kontrollen ausgesetzt. Die Landesregierung
(Antragsgegner) ist dem Antrag entgegengetreten.
Der 1. Senat des VGH hat den Eilantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Bis zum
19. März 2022 bestehe für die Kontrollpflicht voraussichtlich eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage im
Infektionsschutzgesetz. Nachdem der Bundestag die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht verlängert habe,
könne die Kontrollpflicht nicht auf § 28a Abs. 1 IfSG gestützt werden.
Es bestünden erhebliche Zweifel, ob sich der Antragsgegner auf den neu ein-geführten § 28a
Abs. 7 IfSG berufen könne. Die Vorschrift enthalte – anders als § 28a Abs. 1 IfSG – eine abschließende Aufzählung der
zulässigen Maßnah-men. Ernsthaft in Betracht als Ermächtigungsgrundlage komme allenfalls § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4
IfSG. Nach dieser Vorschrift könne die Verpflichtung zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie an die Vorlage
solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs geregelt werden. Da der Gesetzgeber in jüngster Zeit im
Infektionsschutzrecht an anderer Stelle Kontrollpflichten ausdrücklich geregelt habe – z.B. in § 28b Abs. 5 IfSG und in § 36
Abs. 10 IfSG -, spreche der Verzicht auf eine ausdrückliche Regelung von Kontrollpflichten im Rahmen des § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr.
4 IfSG dafür, dass der Gesetzgeber hier die Möglichkeit der Auferlegung von Kontrollpflichten bewusst nicht vorgesehen habe.
Diese Frage könne jedoch offenbleiben. Denn eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage ergebe sich
aus § 28a Abs. 9 IfSG in Verbindung mit § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG. Nach § 28 Abs. 9 IfSG blieben die Absätze 1 bis 6 des
§ 28a IfSG nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite bis
längstens zum Ablauf des 19. März 2022 für Schutzmaßnahmen anwendbar, die bis zum 25. November 2021 in Kraft getreten
seien. Dies sei hier der Fall. Denn die Corona-Verordnung der Landesregierung in der Fassung vom 23. November 2021 habe die derzeit
bestehenden Kontrollpflichten bereits enthalten.
Die Kontrollpflichten seien verhältnismäßig. Sie führten für die betroffenen
Betriebe zu einem erheblichen Mehraufwand. Die Kontrollen seien ausnahmslos durchzuführen und bänden allein dadurch Personal, das
gegebenenfalls im bisherigen Umfang nicht ausreiche, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Folglich sei in einer Vielzahl von Fällen
mit einer finanziellen Mehrbelastung der Unternehmen zu rechnen. In die Abwägung einzustellen sei auch, dass die Kontrollsituation zu
Konflikten und Gefährdungen der Mitarbeiter der zur Kontrolle verpflichteten Betriebe führen könne. Demgegenüber
stünden die vom Antragsgegner mit den angefochtenen Vorschriften verfolgten Infektions-schutzbelange. Das Infektionsgeschehen sei
immer noch sehr stark ausgeprägt und derzeit von stark ansteigenden Infektionszahlen gekennzeichnet. Der hohe Infektionsdruck in der
Bevölkerung ziehe unvermeidlich schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle nach sich. Die Situation auf den Intensivstationen
bleibe weiterhin sehr angespannt. Ohne Kontrollpflichten verlören Nachweisverpflichtungen und Zugangsbeschränkungen für
nicht-immunisierte Personen sehr erheblich an Wirksamkeit. Daher wäre bei einem Verzicht auf Kontrollen nicht auszuschließen,
sondern in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang zu erwarten, dass durch den Zugang nicht-immunisierter Personen zum Einzelhandel
das Infektionsgeschehen deutlich verstärkt würde. Die Annahme, dass dies auch bei einer nur stichprobenartigen Kontrolle – die
die Antragstellerin der Sache nach für ausreichend halte – zu befürchten wäre, sei plausibel. Auch die Erwägung des
Antragsgegners, dass bei einer nur stichprobenartigen Kontrolle das Konfliktpotenzial bei Kontrollen deutlich größer sein
könnte, erscheine dem Senat nachvollziehbar. Insgesamt rechtfertige daher der vom Antragsgegner bezweckte Gesundheitsschutz der
Bevölkerung als Rechtsgut von überragender Bedeutung die für die Antragstellerin und vergleichbare Betriebe eintretenden
Belastungen.
Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar (1 S 3805/21).
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