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Sachverhalt
Seit Januar 2022 gilt in Tübingen eine Steuer auf Einwegverpackungen. Ziel ist es, Einnahmen zum
städtischen Haushalt zu generieren sowie die zunehmende Vermüllung des Stadtbilds durch die im öffentlichen Raum entsorgten
„to go“-Verpackungen zu verringern und einen Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen zu setzen. Für jede
Einweggetränkeverpackung, jedes Einweggeschirrteil und jede sonstige Einweglebensmittelverpackung sind 50 Cent fällig sowie 20
Cent für jedes Einwegbesteck-Set. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist auf maximal 1,50 EUR begrenzt. Zur Entrichtung der Steuer sind
die Endverkäufer verpflichtet, die in den Einwegverpackungen Speisen und Getränke für den unmittelbaren Verzehr an Ort und
Stelle oder zum Mitnehmen ausgeben. Die Verpackungssteuer, die den Verbrauch der Einwegverpackungen besteuert, wird zwar vom
Endverkäufer erhoben, sie ist aber auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt und soll diesen veranlassen, auf
Einwegverpackungen zu verzichten bzw. Waren in Mehrwegbehältnissen nachzufragen.
Die Franchise-Nehmerin des McDonald’s-Schnellrestaurants in Tübingen hat gegen die
Verpackungssteuersatzung Normenkontrollklage erhoben mit dem Ziel, die Satzung für unwirksam erklären zu lassen. Sie beruft sich
auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998, nach dem die von der Stadt Kassel 1991 eingeführte Verpackungssteuer
auf Einwegverpackungen gegen das damals geltende Abfallrecht des Bundes verstieß. Auch inhaltlich verletze die Verpackungssteuer ihre
Berufsfreiheit aus Art. 12 GG. Eine Weitergabe der Steuer an die Kunden sei nicht möglich, da diese entsprechende Preissteigerungen
nicht akzeptieren und beispielsweise in ein McDonald’s-Restaurant eines anderen Franchise-Nehmers in das benachbarte Reutlingen ausweichen
würden.
Urteilsgründe
Zur Begründung seiner stattgebenden Entscheidung führt der 2. Senat des VGH
aus: Tübingen fehlt bereits die Kompetenz zur Einführung der Verpackungssteuer, da es sich nicht um eine örtliche Steuer
handelt. Die Steuer sei nach ihrem Tatbestand nicht auf Verpackungen für Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle
begrenzt (wie die Kasseler Verpackungssteuer), sondern erfasse auch den Verkauf der Produkte zum Mitnehmen. Damit sei normativ der
örtliche Bezug der Steuer – den die Gesetzgebungskompetenz für örtliche Verbrauchs- und Aufwandsteuern nach Art. 105 Abs. 2
a GG voraussetze – nicht ausreichend sichergestellt und es sei nicht gewährleistet, dass der belastete Konsum und damit der Verbrauch
der Verpackung vor Ort im Gemeindegebiet stattfänden. Bei Produkten zum Mitnehmen sei im Hinblick auf ihre Transportfähigkeit –
auch über größere Strecken – ein Verbleiben im Gemeindegebiet nicht gewährleistet.
Die abweichende Auffassung der Stadt Tübingen würde das Tor zur
Einführung aller möglichen Verbrauchsteuern durch die Gemeinden eröffnen. Dies sei durch das Grundgesetz aber
ausgeschlossen. Denn Verbrauchsteuern seien Produktionskosten der Wirtschaft, die in einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet eine
einheitliche Steuergesetzgebung notwendig machen.
Die Verpackungssteuer stehe zudem in ihrer Ausgestaltung als Lenkungssteuer in
Widerspruch zum aktuellen Abfallrecht des Bundes. Der Bundesgesetzgeber habe detaillierte Regelungen zur Vermeidung und Verwertung der
gesamten Palette an Verpackungsabfällen und damit auch der Einwegverpackungen, die Gegenstand der Tübinger Verpackungssteuer
seien, getroffen. Er habe damit darüber entschieden, mit welchen rechtlichen Instrumenten die Ziele der Abfallvermeidung und
Abfallverwertung verwirklicht werden sollten, und damit gleichzeitig insbesondere auch darüber, in welchem Umfang die Ziele der
Abfallvermeidung und Abfallverwertung verfolgt werden sollten. Danach handele es sich beim Verpackungsgesetz um ein geschlossenes System,
das Zusatzregelungen durch den kommunalen Gesetzgeber ausschließe.
Auch der Vorrang der Abfallvermeidung begründe für die Kommunen nicht die
Zuständigkeit, die abfallwirtschaftliche Zielsetzung der Abfallvermeidung eigenständig „voranzutreiben“. Auch wenn
das Ziel einer Reduzierung des Verpackungsaufkommens auf Grundlage der bisherigen Regelungen im Verpackungsgesetz nicht (ausreichend)
erreicht worden sein sollte, sei es Sache des Bundesgesetzgebers, für Abhilfe zu sorgen und das Regelungssystem des
Verpackungsgesetzes fortzuentwickeln. Etwaige Versäumnisse des Bundesgesetzgebers berechtigten die Kommunen nicht dazu, dessen
Entscheidungen in eigener Zuständigkeit zu „verbessern“.
Schließlich sei auch der Begriff der „Einzelmahlzeit“, für die eine Obergrenze der
Besteuerung von 1,50 EUR gelte, nicht ausreichend vollzugsfähig und verstoße damit gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit
in Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Satzungsbestimmung sei auf Ineffizienz angelegt, da der steuerpflichtige Endverkäufer zur Bestimmung der
Obergrenze der Besteuerung allein auf die freiwilligen Angaben des Konsumenten abstellen könne. Bei größeren
Sammelbestellungen spreche bei lebensnaher Betrachtung alles für ein Vollzugsdefizit im Hinblick auf die Gefahr wahrheitswidriger
Erklärungen der Konsumenten. Wegen der enormen Höhe der Besteuerung und des damit verbundenen starken Preisanstiegs
für Speisen und Getränke liege die Gefahr wahrheitswidriger Erklärungen der Konsumenten auf der Hand.
Die Revision wurde zugelassen. Diese ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen
Urteils einzulegen (Az.: 2 S 3814/20).
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