Der Fall von Brigitte Heinisch ging deutschlandweit durch die Medien und sogar bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): die Altenpflegerin hatte auf Missstände in Pflegeheimen aufgrund der personellen Unterbesetzung aufmerksam gemacht, worauf ihr Arbeitgeber mit der Kündigung reagierte. Der von Heinisch angerufene EGMR entschied in einem wegweisenden Urteil, dass die Aufdeckung von Missständen durch die Meinungsfreiheit geschützt ist.
Hinweise im öffentlichen Interesse
Dennoch müssen Menschen, die Missstände in dem Unternehmen oder in der Behörde, in der sie arbeiten, aufdecken, häufig Repressalien und Strafverfolgung fürchten. Dabei besteht ein großes öffentliches Interesse daran, dass Menschen Regelverstöße und Missstände nicht schweigend hinnehmen – ohne deren Offenlegung können die Missstände nicht untersucht und behoben werden.
Um diese wichtige Funktion von Whistleblower*innen zu schützen, hat die EU am 23. Oktober 2019 die „Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (die sogenannte Whistleblower-Richtlinie) erlassen. Diese verpflichtet die Mitgliedstaaten mit ihrer Umsetzung sicherzustellen, dass Menschen, die Verstöße gegen das EU-Recht melden, vor Repressalien geschützt werden.
Schutz vor Repressalien
Der Bundestag hatte am 16. Dezember 2022 ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie beschlossen: Um eine sachgerechte und wirksame Regelung zu erreichen, sieht es nicht nur die Meldung von Verstößen gegen das EU-Recht, sondern auch gegen nationale Vorschriften vor, wenn diese straf- oder bußgeldbewehrt sind oder bestimmte Bereiche betreffen, wie zum Beispiel den Umweltschutz, die Lebensmittelsicherheit oder den Verbraucherschutz.
Wir wollen, dass künftig interne (also innerhalb der betroffenen Unternehmen oder Behörden) und externe Meldestellen eingerichtet werden, die solche Hinweise annehmen und untersuchen. Nach dem Entwurf der Ampel soll die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle für alle Beschäftigungsgeber*innen mit mindestens 50 Beschäftigten gelten. Die externe Meldestelle wollen wir beim Bundesamt für Justiz einrichten, auf Landesebene kann es weitere externe Meldestellen geben.
Meldet eine Person einen Rechtsverstoß an eine Meldestelle, soll sie unter den Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes fallen und etwa von ihrem Beschäftigungsgeber nicht dafür belangt werden können. Ist die hinweisgebende Person aufgrund ihrer Meldung Repressalien ausgesetzt, soll sie dafür Schadensersatz verlangen können. Aufgabe der Meldestellen soll es außerdem sein, über ihre Meldeverfahren zu informieren und so den Zugang für potentielle Hinweisgeber*innen zu erleichtern.
In den Anwendungsbereich sind auch Meldungen über Äußerungen von Beamtinnen und Beamten, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen, aufgenommen. Die Annahme und Bearbeitung anonymer Meldungen soll sowohl für externe als auch für interne Meldestellen nunmehr verpflichtend sein. Damit wurde dem Bedürfnis von Hinweisgeber*innen Rechnung getragen, die insbesondere bei schwerwiegenden Verstößen oder Missständen häufig den Schutz der Anonymität suchen. Ebenso gibt es Regelungen zum Schutz von Tierärzt*innen, die Missstände in der gewerblichen Haltung von Nutztieren melden. Dies war uns gerade im Hinblick auf Verstöße gegen Tierschutzvorschriften in der Massentierhaltung ein Anliegen. Schließlich wird der Ersatz von immateriellen Schäden, die Hinweisgeber*innen erleiden, in größerem Umfang ermöglicht.
Neuer Anlauf nach Blockade im Bundesrat
Über das vom Bundestag verabschiedete Gesetz wurde am 10. Februar 2023 im Bundesrat abgestimmt. Diese zustimmungspflichtige Gesetzesfassung erhielt dabei nicht die erforderliche Stimmenzahl. Die CDU/CSU-geführten Bundesländer setzten auf Blockade.
Die Bundesrepublik ist jedoch verpflichtet, die EU-Richtlinie umzusetzen – die Umsetzungsfrist ist bereits abgelaufen. Daher haben die Koalitionsfraktionen einen neuen Verfahrensweg beschritten und zwei neue Gesetzentwürfe eingebracht, die am 17. März 2023 in 1. Lesung im Bundestag beraten wurden. Der neue Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz entspricht inhaltlich dem Gesetzentwurf, den der Bundestag bereits im Dezember beschlossen hatte, enthält jedoch keine Regelungen zu Landesbeamt*innen. Dadurch handelt es sich nun um ein sogenanntes „Einspruchsgesetz“, das von der Länderkammer nicht mehr blockiert werden kann. Ein zusätzliches Ergänzungsgesetz enthält separate Regelungen für Landesbeamt*innen.
Das erneute Gesetzgebungsverfahren soll nun zügig abgeschlossen werden, um die sachgerechte Umsetzung der EU-Richtlinie nicht weiter zu verzögern.
Original Quelle: Bündnis 90 / Die Grünen
Bilder Quelle: Pixabay / Copyright Bündnis90/Die Grünen
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