Pressemitteilung Nr. 59/2022 | Bundesverwaltungsgericht

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Verfahrensinformation

Die Klägerin, eine amtsangehörige Gemeinde, wendet sich gegen einen Zinsbescheid infolge der überhöhten Gewährung einer Zuwendung. Für sie wurde im Verwaltungsverfahren ein Rechtsanwalt tätig, ohne eine schriftliche Vollmacht vorzulegen. Nach dessen Akteneinsicht und zweimaliger Bitte um Verlängerung der Anhörungsfrist teilte der Beklagte dem Bevollmächtigten mit, die Frist werde nicht erneut verlängert. Ein Zinsbescheid werde am selben Tage ergehen. Den Bescheid versandte der Beklagte mit einfacher Post an die Klägerin über das für sie zuständige Amt. Dem Bevollmächtigten übermittelte sie den Bescheid erst über einen Monat später, nachdem sich dieser nach dem angekündigten Bescheid erkundigt hatte.

Die Klägerin macht geltend, der Bescheid sei ihr zuvor nicht zugegangen. Auf ihre mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist verbundene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage festgestellt. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil geändert und die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Bescheid sei als drei Tage nach seiner Absendung an die Klägerin bekannt gegeben anzusehen. Die Bekanntgabe gegenüber der Klägerin sei ermessensfehlerfrei gewesen. Dass die Klägerin den Zugang des Bescheides bestreite, begründe angesichts der im Berufungsverfahren ermittelten Besonderheit, dass damals beim Amt ein mittlerweile nicht mehr auffindbares Postbuch geführt worden sei, keine Zweifel am Zugang. Die Klägerin hätte das Postbuch aufbewahren müssen und trage deshalb die Verantwortung dafür, dass nicht mehr aufgeklärt werden könne, ob der Bescheid zugegangen sei. Ihr sei keine Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.

Pressemitteilung Nr. 59/2022 vom 21.09.2022

Bekanntgabefiktion: Anforderungen an die Darlegung von Zweifeln am Zugang eines an eine Behörde mit Posteingangsdokumentation gerichteten Bescheides

Ein Gericht darf Zweifel am Zugang eines mit einfacher Post an eine Behörde gesandten Bescheides verneinen, wenn diese den Zugang zwar bestreitet, ihre lückenlose Dokumentation des Posteingangs für den fraglichen Zeitraum aber nicht offenlegt und die zu Beginn des Verwaltungsprozesses noch verfügbare Dokumentation nicht aufbewahrt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Die Klägerin, eine amtsangehörige Gemeinde, klagte gegen einen subventionsrechtlichen Zinsbescheid des beklagten Ministeriums. Der Bescheid wurde mit einfacher Post an sie und nicht an den Bevollmächtigten gesandt, der sich im Verwaltungsverfahren – ohne Vorlage einer Vollmacht – für sie bestellt hatte. Nach der Bekanntgabefiktion des § 41 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz gilt ein als einfacher Brief versandter Bescheid als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post bekanntgegeben. Erst mehr als einen Monat später hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, sie habe keinen Bescheid erhalten. Im Berufungsverfahren hat sie auf Nachfrage vorgetragen, sie habe im fraglichen Zeitraum ein Posteingangsbuch geführt; es sei heute nicht mehr vorhanden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Vortrag der Klägerin angesichts dieser Umstände keine Zweifel am Zugang des Bescheides begründen könne.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zurückgewiesen. Nach den Vorschriften über die Bekanntgabe von Verwaltungsakten durfte das Ministerium den Bescheid unmittelbar an die Klägerin senden. Das Berufungsgericht musste aufgrund ihres Vortrags nicht am Zugang des Bescheides zweifeln. Zwar genügt regelmäßig einfaches Bestreiten des Zugangs, Zweifel zu begründen, weil der Adressat typischerweise keine genaueren Umstände darlegen kann, die gegen einen Zugang sprechen. Bei behördlichen Adressaten, die eine Posteingangsdokumentation führen, ist dies anders. Sie können beispielsweise darlegen, dass dort für den möglichen Zugangszeitraum kein entsprechender Eingang verzeichnet ist. Solche Adressaten trifft außerdem ab Prozessbeginn eine verfahrensrechtliche Obliegenheit, die Dokumentation bis zum Abschluss des Verfahrens zu Beweiszwecken aufzubewahren. Geht die Dokumentation in dieser Zeit aus Gründen verloren, die sie zu vertreten haben, führt dies nicht dazu, dass nun wieder schlichtes Bestreiten des Zugangs genügte. Von einem solchen von der Klägerin zu vertretenden Verlust ist das Oberverwaltungsgericht hier revisionsrechtlich fehlerfrei ausgegangen.

Fußnote:

§ 41 Verwaltungsverfahrensgesetz:

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder in das Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

BVerwG 8 C 12.21 – Urteil vom 21. September 2022

Vorinstanzen:

OVG Greifswald, OVG 2 LB 108/17 – Urteil vom 28. Oktober 2020 –

VG Greifswald, VG 4 A 401/13 – Urteil vom 06. Dezember 2016 –

Quelle :Verwaltungsgericht

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