Verfahrensinformation
Verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für Zersetzungsmaßnahmen der Stasi außerhalb des Beitrittsgebiets
Der Kläger begehrt seine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für Zersetzungsmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR gegen ihn im Zeitraum von 1980 bis 1989.
Der Kläger lebte zunächst in der ehemaligen DDR. In den 1970er Jahren wurde er wegen versuchter Republikflucht und staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme zu vier Jahren Haft verurteilt. Nachdem ihn die Bundesrepublik Deutschland freigekauft hatte, siedelte der Kläger nach Berlin (West) über. Dort beteiligte er sich unter anderem an Protestaktionen gegen das Regime in der ehemaligen DDR.
Für seine Haftzeit wurde er im Jahr 1994 rehabilitiert. Im Mai 2020 stellte der Kläger mit der Begründung, Opfer von Zersetzungsmaßnahmen der Stasi gewesen zu sein, einen Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung, den die zuständige Behörde ablehnte. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat seine auf Gewährung einer einmaligen Leistung in Höhe von 1 500 € gerichtete Klage abgewiesen, da die vom Kläger erlittenen Maßnahmen nicht im Gebiet der ehemaligen DDR sondern in der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hätten.
Mit seiner vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Das Revisionsverfahren wird dem Senat voraussichtlich Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob auch außerhalb des Gebiets der ehemaligen DDR vorgenommene Zersetzungsmaßnahmen der Stasi rehabilitierungsfähig sein können.
Pressemitteilung Nr. 93/2023 vom 14.12.2023
Keine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung wegen Zersetzungsmaßnahmen der Stasi in Berlin (West)
Nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) besteht kein Anspruch auf Zahlung einer einmaligen Geldleistung wegen Zersetzungsmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR, die in Berlin (West) ergangen sind. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der Kläger lebte zunächst in der DDR. In den 1970er Jahren wurde er wegen „versuchter Republikflucht und staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme“ zu vier Jahren Haft verurteilt. Nachdem ihn die Bundesrepublik Deutschland freigekauft hatte, siedelte er nach Berlin (West) über, betätigte sich politisch und beteiligte sich an Protestaktionen gegen das SED-Regime. In den 1980er Jahren war er deshalb in Berlin (West) vom MfS veranlassten Zersetzungsmaßnahmen in Form anonymer Drohungen und Diffamierungen ausgesetzt.
Für die in der DDR erlittene Haftzeit wurde der Kläger strafrechtlich rehabilitiert. Nach Inkrafttreten des § 1a Abs. 2 Satz 1 VwRehaG stellte er wegen der Zersetzungsmaßnahmen einen Antrag auf Gewährung einer einmaligen Geldleistung in Höhe von 1 500 €. Der Antrag wurde abgelehnt. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage abgewiesen, da die Zersetzungsmaßnahmen außerhalb des Beitrittsgebiets stattgefunden hätten.
Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer einmaligen Geldleistung gemäß § 1a Abs. 2 Satz 1 VwRehaG zu Recht verneint. Die Vorschrift setzt in Verbindung mit § 1a Abs. 1 und § 1 Abs. 1, 5 und 6 VwRehaG voraus, dass die Zersetzungsmaßnahme im Beitrittsgebiet ergangen ist und dort Wirkung entfaltete. Daran fehlt es bei Bedrohungen und diffamierenden Erklärungen, die außerhalb des Beitrittsgebiets übermittelt wurden und sich nur dort auf den persönlichen Lebensbereich des Betroffenen auswirkten. Die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt die räumliche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift. Sie soll die Belastung der Menschen ausgleichen, die Zersetzungsmaßnahmen in der DDR vollkommen schutz- und wehrlos ausgeliefert waren und sich ihnen auch nicht durch Verlassen des Staatsgebiets entziehen konnten. Die Intensität dieser Belastung rechtfertigt die Ungleichbehandlung von Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland Zersetzungsmaßnahmen des MfS ausgesetzt waren. Diese standen solchen Maßnahmen nicht wehrlos gegenüber, sondern hatten die Möglichkeit, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen.
Fußnote:
(1) Die hoheitliche Maßnahme einer deutschen behördlichen Stelle zur Regelung eines Einzelfalls in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 (Verwaltungsentscheidung), die zu einer gesundheitlichen Schädigung (§ 3), einem Eingriff in Vermögenswerte (§ 7) oder einer beruflichen Benachteiligung (§ 8) geführt hat, ist auf Antrag aufzuheben, soweit sie mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist und ihre Folgen noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken. (…)
(5) Für eine hoheitliche Maßnahme, die nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend. 2An die Stelle der Aufhebung der Maßnahme tritt die Feststellung ihrer Rechtsstaatswidrigkeit.
(1) Für eine Verwaltungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 oder eine Maßnahme nach § 1 Abs. 5 Satz 1 (…), die nicht zu einer Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten Rechtsgüter geführt hat, ist auf Antrag die Rechtsstaatswidrigkeit festzustellen, soweit die Verwaltungsentscheidung oder die Maßnahme mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist und aus Gründen der politischen Verfolgung zu einer schweren Herabwürdigung des Betroffenen im persönlichen Lebensbereich geführt hat.
(2) Ist die Rechtsstaatswidrigkeit wegen einer Maßnahme, die mit dem Ziel der Zersetzung erfolgte, festgestellt worden, erhält der Betroffene auf Antrag eine einmalige Leistung in Höhe von 1 500 Euro. (…)
BVerwG 8 C 9.22 – Urteil vom 14. Dezember 2023
Vorinstanz:
VG Berlin, VG 9 K 45/21 – Urteil vom 19. November 2021 –
Vermisst – 7-jährige Tara R. aus Gaildorf-Ottendorf – Wer kann Hinweise geben