- Etwa 385 Millionen Menschen vergiften sich jährlich unbeabsichtigt mit Pestiziden, die in der EU verboten sind, aber in Deutschland bisher weiter hergestellt und exportiert werden dürfen.
- Die Zahl der gezielten Selbsttötungen mit den hochgiftigen, leicht zugänglichen Agrarchemikalien wird auf über 100.000 jährlich geschätzt.
- Dagegen will Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nun mit einer Verordnung vorgehen, um den Export von gesundheitsschädlichen, in der EU nicht zugelassenen Pestiziden zu stoppen.
Auch wenn es schwer zu glauben ist: Bis jetzt ist es erlaubt, Pestizide, die in der Europäischen Union nicht oder nicht mehr zugelassen sind, weil sie sich als gesundheitsschädlich erwiesen haben, hierzulande herzustellen und in Drittländer zu exportieren. In Südamerika, Asien und Afrika werden die toxischen Chemikalien dann unter zudem meist schlechten Schutzbedingungen ausgebracht, zum Schaden der dortigen Bäuerinnen, Landarbeiter und Anwohnerinnen. Etwa 385 Millionen Menschen erleiden so jedes Jahr akute Pestizidvergiftungen mit Folgen wie Hautreizungen, Atemnot und Fehlgeburten, etwa 10.000 überleben nicht. Auch in Suizidabsicht werden diese hochgiftigen, leicht zugänglichen Chemikalien viel zu oft eingenommen. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags schätzt in einer von Karl Bär MdB angefragten Expertise die Zahl der Selbsttötungen mit Hilfe von Pestiziden auf mehr als 100.000 jährlich.
Keine gefährlichen Gifte „Made in Germany“ mehr auf den Äckern des globalen Südens
Derzeit wird eine Vielzahl verschiedener, in der EU nicht verkehrsfähiger Pestizide exportiert, 2020 im Umfang von rund 8250 Tonnen reinen Wirkstoffs. Diese mehr als fragwürdige Praxis, die Profite vor Schutz von Leib und Leben stellt, möchte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nun im Rahmen des rechtlich Möglichen und im Koalitionsvertrag Vereinbarten wenigstens in Deutschland beenden. Bis Ende 2022 soll auf Grundlage des Pflanzenschutzgesetzes ein entsprechender Verordnungsentwurf vorgelegt und mit den beteiligten Ministerien abgestimmt werden.
Das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Menschen in den Importländern soll endlich unabhängig vom dortigen Behördenhandeln geschützt werden und Vorrang genießen vor den wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen wie Bayer und BASF. Dafür kämpfen zahlreiche Nichtregierungsorganisationen seit vielen Jahren. Sie unterstützen in einem aktuellen Gutachten die Pläne des Ministers und loten darüber hinausgehende Handlungsspielräume aus.
Deutschland und Frankreich als Vorreiter für ein faires Europa
Die Bundesrepublik könnte damit dem Beispiel Frankreichs folgen, das ein solches Verbot bereits erlassen hat und ein wichtiger Partner ist, um das längerfristige Ziel zu erreichen: Ein Export-Verbot auf EU-Ebene. Wünschenswert wäre, auch besonders umweltschädliche Pestizid-Wirkstoffe einzubeziehen, die das Grundwasser kontaminieren und bestäubende Insekten töten.
Es geht auch um Fairness unseren eigenen Bäuerinnen und Bauern gegenüber. Wenn Pestizide, die hierzulande verboten wurden, anderswo noch eingesetzt werden dürfen, dann konkurrieren die Produkte unter ungleichen Bedingungen auf globalen Märkten. Deshalb ist es im Interesse der heimischen Landwirtschaft, hier nicht länger mit zweierlei Maß zu messen.
Und nicht zuletzt geht es natürlich auch um Verbraucherschutz: Pestizide, die anderswo noch eingesetzt werden dürfen, landen nicht selten als Rückstände über importierte Lebensmittel wieder auf unseren Tellern.
Original Quelle: Bündnis 90 / Die Grünen
Bilder Quelle: Pixabay / Copyright Bündnis90/Die Grünen
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