Zur Einigung der Koalitionsfraktionen über das Chancenaufenthaltsrecht sowie über das Asylgesetz erklären Filiz Polat, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat, und Lamya Kaddor, Sprecherin für Innenpolitik:
Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht setzen wir das erste zentrale flüchtlingspolitische Vorhaben des Koalitionsvertrags um. Dies ist ein Paradigmenwechsel, für den gerade wir Grüne lange gekämpft haben. Mehr als 137.000 Menschen werden vom kommenden Jahr an aus dem System der entwürdigenden Kettenduldungen geholt und bekommen endlich eine Perspektive. Alle, die seit fünf Jahren geduldet hier leben, bekommen die Möglichkeit, die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht zu schaffen. Hier geht es um wesentliche Punkte wie Arbeit, Sprachkenntnisse und Identitätsnachweise. Viel zu oft wurden Migrant*innen bisher mit einer immer wieder verlängerten Duldung zur Hoffnungslosigkeit verdammt.
Unsere Reform ist ein motivierendes Angebot gerade für junge Menschen und eine gute Nachricht für die Wirtschaft; viele Unternehmen dringen wegen großer Personalnöte schon seit langem auf pragmatische aufenthaltsrechtliche Verfahren nach dem Prinzip „Ausbildung statt Abschiebung“. Somit ist das neue Chancenaufenthaltsrecht auch eine effektive Maßnahme gegen den Arbeitskräftemangel, dem in den kommenden Monaten noch weitere folgen werden. Wichtig war uns auch, der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung zu tragen und Ausnahmen beim Bleiberecht für Jugendliche sowie junge Erwachsene mit Behinderungen zu beschließen.
Das so genannte Chancen-Jahr, innerhalb dessen geduldete Menschen die Voraussetzungen für ein Bleiberecht erwerben können, werden wir auf 18 Monate verlängern. Damit greifen wir wichtige Hinweise aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft auf, die dieses Gesetzesvorhaben von Anfang an konstruktiv begleitet und bereichert haben. Die Verschiebung des Stichtags um zehn Monate auf den 31.10.2022 wird überdies dazu führen, dass deutlich mehr Menschen von der neuen Regelung profitieren werden als mit der ursprünglich vorgesehenen Regelung.
Ein weiterer Schritt nach vorn ist die Neufassung des Asylgesetzes, allen voran die gesetzliche Verankerung flächendeckender, behördenunabhängiger Asylverfahrensberatung. Asylsuchende verfügen meist nicht über Kenntnisse zum Ablauf unserer Asylverfahren und sind daher auf eine umfassende Rechtsberatung angewiesen. Dies führt nachweislich zu einer höheren Qualität der Asylbescheide und entlastet auch die Gerichte, weil weniger Bescheide beklagt werden.
Ein wichtiger Baustein ist auch die Streichung der obligatorischen, anlasslosen Widerrufsprüfung positiver Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Diese Praxis ist ebenso unverhältnismäßig wie aufwändig: Denn beim BAMF werden somit unzählige Kapazitäten an Personal gebunden, die an anderer Stelle für die Beschleunigung der Asylverfahren benötigt werden. Die Neuregelung führt also zu einer Entlastung des BAMF.
Original Quelle: Bündnis 90 / Die Grünen
Bilder Quelle: Pixabay / Copyright Bündnis90/Die Grünen
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